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Lesetext
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TEUFEL Ihre Seele allerdings.
LUISE Und die Seele ist alles.
TEUFEL (lächelt mild.) Sie Kind! (zum VIZETEUFEL) Ein Kind! Ein reizendes Kind!
VIZETEUFEL Aufzuwarten!
LUISE (erhebt sich.) Mein Herr! Bitte lösen wir unsern Vertrag!
(Stille)
TEUFEL Was hör ich?
VIZETEUFEL Lösen?
TEUFEL Den Vertrag?
LUISE (stand starr und stierte ins Leere, bricht nun über ihr Toilettentischerl nieder
und wimmert.) Bitte, bitte, bitte – – (Sie weint leise.)
(Stille)
TEUFEL Na servus! (Er blickt nach dem Himmel empor.) Möcht nur gern wissen, wer
mir diese Tour wieder mal vermasselt –
LUISE (starrt in den Spiegel und spricht zu sich.) Luise! Luise!– Bist allein im Zim-
mer und gehst durch alle deine Zimmer, und in jedem sitzt eine Luise, und nur im
Salon sitzen zwei, und die eine schwört: „Nie wieder, nie wieder“. Und die andere
sagt: „Du kannst doch nicht schwören, du hast doch keine Finger, keine Hand,
keinen Arm“ –
TEUFEL Was sind denn das für Gefühle?!
LUISE (brüllt sich im Spiegel an.) Meine privatesten Gefühle. Pfui Teufel! (Sie spuckt
sich im Spiegel an, fährt hoch und eilt zitternd hin und her.)
TEUFEL „Privateste“? Aha! (zum VIZETEUFEL) Wer hat denn in einem Vertrag schon
wieder einmal „privat“ statt „privatest“ geschrieben? Du! Diese Schlamperei
schreit zum Himmel! Raus!
VIZETEUFEL (rasch ab)
TEUFEL (sieht ihm grimmig nach.) Daß ich immer erniedrigt werden muß!
LUISE (stampft mit dem Fuß.) Hörst du mich da drunten?!
TEUFEL Gewiß, gewiß!
(Stille)
LUISE (plötzlich leise vor sich hin) Es schneit, es schneit– (Sie nickt.) Jaja, in einem
Schlitten, er und ich, und ein Reh trat aus dem Wald. Ich sehs noch dort stehn im
Schnee, wir fuhren nicht weit, dann kam die Nacht. Jetzt werdens bald sechs Jahr.
„Gib acht“, hab ich gesagt, „gib acht, nein nicht!“ Aber er wollte es so.
TEUFEL Wer wollte?
LUISE Mein Mann.
TEUFEL Du hast dich verheiratet?
LUISE Wir sind auseinander.
TEUFEL Drum!
LUISE Ich fühle noch seine Stimme, „Luise“, sagt er, und er sagt es so furchtbar ein-
fach, „ich wollt, ich könnt Dich segnen“ – – (Sie bricht plötzlich los.) Aber ich
konnt doch kein Kind gebrauchen, versteht denn das niemand? Ich konnt doch
meine Tourneen nicht absagen, und überhaupt dieser ganze Beruf, ich war ja ge-
fangen, Geld hätt ich zwar genug gehabt, um dem Kind auch hundert Schaukel-
pferd zu kaufen, aber ich konnt es doch nicht haben wollen, weg, weg, weg! Hun-
dert Schaukelpferd, hundert! Hörst du mich?!
TEUFEL Gewiß, gewiß!
LUISE So lösen wir doch unsern Vertrag!
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Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
Historisch-kritische Edition, Volume 1
- Title
- Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
- Subtitle
- Historisch-kritische Edition
- Volume
- 1
- Author
- Ödön von Horváth
- Editor
- Klaus Kastberger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-058470-7
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 338
- Categories
- Weiteres Belletristik