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Chronologisches Verzeichnis
scheidungsträger (Schlösser, Goebbels) schließlich fallen gelassen (vgl. ebd.). Hor-
váths Position auf den reichsdeutschen Bühnen war also trotz des Vertrags mit dem
Neuen Bühnenverlag und trotz der Mitgliedschaft im RDS prekär. Allmählich zeich-
nete sich ab, dass seine Stücke nur noch im nicht-reichsdeutschen deutschsprachi-
gen Exil aufgeführt werden konnten. So kam es zu Uraufführungen in Zürich (Hin
und her), Wien (Mit dem Kopf durch die Wand,Glaube Liebe Hoffnung unter dem Titel
Liebe, Pflicht und Hoffnung undHimmelwärts), Prag (Figaro läßt sich scheiden undEin
Dorf ohne Männer) und Mährisch-Ostrau (Der jüngste Tag). Die Uraufführung von
Himmelwärts in der „Freien Bühne“ in Wien war so gesehen symptomatisch für die
kritische Situation des Autors in der Zeit des Nationalsozialismus. Die großen
deutschsprachigen Bühnen waren ihm zunehmend versperrt; erreichbar waren für
ihn nur noch die kleineren Bühnen und die Kellertheater (vgl. auch das Vorwort zu
diesem Band, S. 15 und 18).
Die Endfassung des Werkprojekts Himmelwärts TS7/A2 umfasst zwei Teile bzw.
23Szenen, wobei zehn auf den ersten Teil und dreizehn auf den zweiten Teil fallen.
Im Gegensatz zu TS6/A3 dürfte es sich in TS7/A2 wirklich um Szenen, und nicht um
Bilder, handeln (vgl. Horváths eigene Verwendung des Begriffs „Scene“ in TS7/A2/SB
Bühnenverlag 1934, S. 21). Wie schon in frühen Strukturplänen (seit VA1) vorgese-
hen, ist das Stück vom Wechsel zwischen Himmel und Erde gekennzeichnet, erwei-
tert um einen dritten Schauplatz, nämlich die Hölle (erstmals in K1/E8 erwähnt). Im
Schauplatzverzeichnis heißt es: „Die Bühne ist in drei übereinanderliegende Teile ge-
teilt, und zwar: Himmel, Erde, Hölle“ (TS7/A2/SB Bühnenverlag 1934, o. Pag. (S. 3)).
Der Titel „Himmelwärts“ (vgl. E1, E6 und E7) ersetzt „Oben und Unten“ von TS6/A3
(vgl. auch E12). Die schlichte Gattungsbezeichnung „Märchen“ löst die frühere „Zau-
berposse“ (erstmals in VA1/E1) bzw. das „Feenmärchen“ (einzig in VA2/E11 und E14)
ab. Das Figurenverzeichnis ist gegenüber jenem von TS6/A3 deutlich verändert; so
fehlen in TS7/A2 etwa der „Feuerwehrhauptmann“, der „Generalintendant“, der „Ka-
pellmeister“, der „Richter“, der „Staatsanwalt“ etc. Die gesamte Gerichtshandlung
entfällt damit in TS7/A2. Auch „Lessing“, der in TS6/A3 noch erwähnt wurde, fehlt in
TS7/A2. In beiden Fassungen finden sich „Luise“, „Herr“ und „Frau Steinthaler“, der
„Stadttheaterintendant“ (TS6/A3) bzw. „Intendant“ (TS7/A2), der „Bühnenportier“,
der „Dienstmann“, der „Autogrammjäger“, die „Garderobenhex“, „St. Peter“ (TS6/A3)
bzw. „St. Petrus“ (TS7/A2), „Julius Caesar“ bzw. „Julius Cäsar“, der „Teufel“, der „Vi-
zeteufel“, „zwei Verdammte“ (TS6/A3) bzw. „zwei verdammte Seelen“ (TS7/A2).
Der „klein[e] Bub“ geht auf K1/E9 und E10 zurück, die Szene zwischen St. Petrus
und dem kleinen Fußballspieler dürfte indes eine Neuerung der Endfassung sein. Sie
hat einen Vorläufer in der Legende vom Fußballplatz, die sich in den Sportmärchen
(1923/24) findet (vgl. WA 13/Sportmärchen/TS20). Außerdem weist sie auf den Tod
des kleinen W im Roman Jugend ohne Gott von 1937 voraus (vgl. WA15/K/TS2/Hor-
váth 1937, S. 36–41). Die Handlung von TS7/A2 erscheint gegenüber den beiden Vor-
arbeiten, aber auch gegenüber den frühen Entwürfen von K1 in ein anderes Milieu
versetzt, nämlich in dasjenige des Theater- bzw. Opernbetriebs. Bis auf Julius Caesar
fehlen die großen geschichtlichen Namen in der Endfassung (vgl. anders K1/E1–E7).
Die Handlung ist im Wesentlichen auf ein kleinbürgerliches Milieu beschränkt, wie es
typisch für Horváths Stücke ist. Ein wichtiger Aspekt ist auch hier wieder die mate-
rielle Not, etwa wenn Luise sich keinen Schal leisten oder im Kaffeehaus ihre Zeche
nicht bezahlen kann (vgl. TS7/A2/SB Bühnenverlag 1934, S. 14a, 14b und 68). Zen-
tral ist in Himmelwärts jedoch auch die Frage nach künstlerischem Erfolg und Miss-
Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
Historisch-kritische Edition, Volume 1
- Title
- Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
- Subtitle
- Historisch-kritische Edition
- Volume
- 1
- Author
- Ödön von Horváth
- Editor
- Klaus Kastberger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-058470-7
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 338
- Categories
- Weiteres Belletristik