Page - 83 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Egoismus einer der Hauptmerkmale dieses merkwürdigen, wenn auch
zweifellos hochbegabten Volkes ist. —
Während der Manöverperiode 1901 waren wir, Feldmarschalleut-
nant Niklas, ichund der Regimentskommandant, mein Freund Oberst
Wanka, auf Schloß Bajna, im Komaromer Komitate, einquartiert,
dem Stammschloß der weltbekannten Fürstin Pauline Metternich-
Sandor, Freundin der Kaiserin Eugenie, Botschafterin in Paris
1864 bis 1870, der durch drei Dezennien in Wien tonangeben-
den „Fürstin Pauline". Die Wochen, da wir ihre Gäste waren, ver-
liefen ebenso angenehm wie interessant. Besonders die Abendkause-
rien, wo diese geistvolle, bedeutende Frau von ihren Erlebnissen er-
zählte, waren höchst genußreich. Politische Tagesfragen und Vor-
kommnisse aus Gegenwart und Vergangenheit wurden besprochen,
wobei die Fürstin— vielleicht klingt es paradox— sich als Liberal-
Feudale kundgab. Diese abendlichen Plauderstunden hatten die
Eigentümlichkeit, daß vor jedem Teünehmer ein Block mit Blei-
stift— ähnlich wie bei einer Konferenz— zu allfälliger Verwendung
bereitlag.—
Im Frühjahr 1902 nahm ich zum erstenmal an einer unter dem
Chef des Generalstabes stattfindenden Generalsreise teil, die ähnlich
wie die Generalstabsreisen verlief, nur erfuhren hierbei die Details
eine flüchtigere Behandlung. Diese Generalsreisen, belehrend und
interessant, zeichneten sich überdies durch ein wahrhaft lukullisches
Dasein der Beteiligten aus. Ein Vermächtnis des Erzherzogs Al-
brecht, wurden sie stets aus der kaiserlichenPrivatschatulle bestritten.
Allüberall fuhr die Hoffeldküche mit. Feldzeugmeister Baron Beck
hielt auf eine gute Tafel, an der es wohl nicht fehlte. Unter Conrad
wurde dies gründlich, vielleicht allzu gründlich, geändert.
Im Herbst 1902 fanden in Westungarn Kaisermanöver statt, Ma-
növer von Armeeabteilungen. Es führten gegeneinander die beiden
Erzherzoge: Franz Ferdinand mid Friedrich. Die Ausgangssituation
glich der zur Tradition gewordenen Grundform: vorgeschobene Ka-
vallerietruppendivisionen, wodurch sich am, ersten Tage immer eine
Kavallerieschlacht entwickelte. Am zweiten Tage kam es gewöhnlich
zum Rencontre eines vorgeschobenen Staffeis der einen Partei gegen
überlegene Kräfte des Gegners. Der hieraus meist resultierende Echec
des ersteren wurde nicht weiter in Rechnung gestellt, so daß es an
den folgenden Tagen entweder zum Kampfe gleich starker Kräfte
kam oder durch Zuschub von auswärts, durch Überschwenken eines
TeÜes der bishin siegreichen Gruppe, zu einer Überlegenheit des an-
deren Teiles. Diese Anlage stützte sich auf eine dezennienlange Ma-
növerpraxis, und erst die knapp vordem großen Kriege abgehaltenen
6. 8z
Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918