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Armeemanöver führten eine grundhältige Änderung in der Durch-
führung herbei, indem der eine Parteikommandant (meine Person)
ein anderes Verfahren mit Erfolg zur Anwendung brachte. 1902 ging
aber noch alles den herkömmlichen Weg^).
Nach den Übungen, wobei ich sehr gut abschnitt, beschloß ich mit
meiner Frau eine Reise nach Oberitalien und Südfrankreich. Wir
fuhren über Triest, Venedig, Mailand, Genua, Mentone, Monte Carlo
bis Nizza, Cannes und über Turin, Como, Lugano, Locarno, Venedig,
Fiume heim. Die vom schönsten Wetter begünstigte Tour entzückte
uns in hohemMaße und bildete eine unserer schönsten Erinnerungen.
Mein militärisches Interesse wurde besonders durch den Anblick
der französischen Alpenjäger gefesselt, die einen ausgezeichneten Ein-
druck machten. Weniger die Infanterie (PoÜus) in ihren roten, salopp
getragenen Pantalons und ihrer wenig militärischen Haltung. Immer-
hin war es mir klar, daß an der französischen Armee den Deutschen
und dadurch indirekt auch uns ein gewaltigerFeind erwachsen würde.
Nach Raab heimgekehrt, fand ich die ersten Anzeichen einer be-
ginnenden politischen Agitation vor. Sie bestand in der Ausstellimg
einer sogenannten KossuthkoUektion : wertvolle und wertlose Reli-
quien dieses revolutionären Nationalheros, Büder, Kriegsszenen aus
den Jahren 1848/49 darstellend. Vielfach waren auch die Hinrich-
tungen .nach Niederwerfung der Insurrektion zu sehen— darunter
auch die meines Onkels Norbert (Ormay). Über diese Ausstellung
sprach ich mit dem einsichtsvollen Obergespan, Grafen Laßberg,
dem sie auch gegen den Strich ging. Anderseits, meinte er, hätte
es den Vorteil, daß das Ganze unter einer gewissen Aufsicht stünde,
und etwaige Demonstrationen am leichtesten verhindert werden
könnten. Tatsächlich kamen solche nicht vor. Das Raaber Publi-
kum war dafür noch nicht genug präpariert. Doch konnte es keinem
Zweifel unterliegen, daß die Ausstellung dieAusstrahlung einersyste-
matischen Agitation war, die plangemäß einsetzte und sich besonders
gegen die Armee und ihre Attribute richtete. Nach Jahren wurde
dann bekannt, daß zu jener Zeit tatsächlich Geheimkonventikel statt-
fanden, vor allem in Zilah, dem Wahlort des äußerst linken, rück-
sichtslosen und tumultuösen Abgeordneten Zoltan Lengyel. Hierbei
wurde ein systematischer Angriff gegen die gemeinsame Armee be-
1) Während des Feuerkampfes am dritten Tage des Manövers kam der
deutsche Kronprinz an imsereJront und erkundigte sich bei mir eingehendst
um die Gefechtssituation. Durch das lange Gespräch, das er mit mir hielt,
entwickelte sich die Legende, daß der deutsche Prinz vmseren Kaiser auf meine
Person aufmerksam gemacht habe, imd daß diese Episode eine der Ursachen
meiner späteren Ernennvmg ziun Kriegsminister war. Wie gesagt— nichts als
eine Legende!
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918