Page - 106 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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einten sigh viele Stimmen der Armee auf ihn. Seine rege Tätigkeit
auf kriegswissenschaftlichem, besonders taktischem Gebiete, sein
Wirken als Divisionär in Tirol hatten ihn bekannt gemacht und
ihm das Vertrauen vieler Schichten eröffnet.
Diese beiden Veränderungen vollzogen sich im September 1906,
gerade als ich in Wien weilte. Sie nahmen in weiterer Folge auch
auf mein Schicksal einen wesentlichen Einfluß.
Mit Conrad trat ich bald nach dessen Ernennung in schriftlichen
Verkehr. Fragen der äußern, besonders aber der innern Politik—
insoweit die militärischen Interessen berührt wurden— gelangten
zur Erörterung, Dabei wies ich stets darauf hin, welch großen Ein-
fluß die ungarischen Schwierigkeiten und die Bestrebungen der groß-
serbischen Agitation im Lande Kroatien auf die äußere Politik und
dadurch auch auf die militärischen Vorbereitungen und organisato-
rischen Verfügungen nahmen. Wir waren stets eines Sinnes, Nur
schien es mir schon damals, als ob sein Streben nach Lösung der
schwerwiegenden schwebenden Fragen mit kriegerischen Mitteln nicht
recht im Einklang stünde mit den Machtfaktoren, über die die Mon-
archie tatsächlich verfügte. Darum ging meine Idee immer in der
Richtung, vorerst Ordnung im Innern zu machen. Und dafür war
— wie schon geschildert— in den Jahren 1903 bis 1906 die Lage
so günstig wie nie.—
Im Herbst und Winter trat ich mit einigen politischen Persönlich-
keiten in Fühlung. Ich besuchte häufig meinen Freund, Graf Josff
Draskovich. Ursprünglich Kavallerieoffizier, hatte er dann das flotte
Leben eines Grandseigneurs gelebt und sich— besonders zur Zeit,
als Erzherzog Leopold Salvator in Agram garnisonierte — durch
rauschende Feste hervorgetan. Dadurch in den Lebensverhältnissen
herabgemindert, änderte dies weder seine Lebens- noch seine poli-
tischen Grundsätze— ein Gemisch großkroatischer und großöster-
reichischer Anschauungen. Bei Draskovich lernte ich auchdenFührer
der Starcevicpartei, Dr. Josip Frank, kennen. Den wirklichen Ge-
sinnimgen seiner Partei entsprechend, stand er auf einem ähnlichen
Standpunkte wie Draskovich, nur bei stärkerer Betonung des groß-
kroatischen Momentes. Demnach: Trialismus, wobei das Königreich
Großkroatien den dritten Kompaziszenten bilden sollte, Oder min-
destens : Modifikation der dualistischen Staatsform indem Sinne, daß
den südslawischenTerritorien eine voUe kulturelle undpolitischeEnt-
wicklungsmöglichkeit gegeben würde. Dabei unbedingte loyale Unter-
werfung unter die Dynastie, aber ausschließlich vorherrschender Ein-
fluß desKroatentums—einStandpunkt, aufdem sich auchderFührer
der katholischen Kroaten in Bosnien, Erzbischof Dr. Stadler, befand.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918