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geführte Hochverratsprozeß mangels stichhaltiger Bev/eise im Sande
verlief, obwohl alle Welt wußte, daß tatsächlich doch die tief-
greifendsten und gefährlichsten Umtriebe in den südlichen Provinzen
stattfanden. Gleichwohl schadete dies keinem der damals im Amt
befindlichen Funktionäre. Fürwahr, Österreich-Ungarn war nicht
nur das Land der Unmöglichkeiten, sondern auch der Unergründ-
lichkeiten.
Mittlerweile waren alle in Bosnien-Herzegowina stationierten Trup-
pen auf vollen Kriegsstand gesetzt worden. Um aber den Schein zu
wahren, daß es sich nicht etwa um eine IMobilisierung, sondern nur
um die Erhöhung der Stände handle, griff man zu dem höchst be-
denklichen Auskunftsmittel, die im Annexionsgebiet tmd in Dalma-
tien dislozierten Bataillone aus den im Innern der Monarchie statio-
nierten Abteilungen zu ergänzen. So geschah es, daß später, als man
dann doch zur MobÜisierung greifen mußte, alle Einzelheiten der
Mobüisierungsvorarbeiten über den Haufen geworfen waren und—
was noch schlimmer galt— einige Abteilungen fast nur aus präsent
dienenden jungen Leuten, andere wieder fast ausschließlich aus Re-
servisten und Ersatzreservisten bestanden. Das richtige Bild und
der naturgemäße Effekt unseres tastenden und schwankenden, kein
bestimmtes Ziel verfolgenden Verfahrens. Wenn's dann nicht klappte,
wunderte man sich und schob die Schuld leichten Herzens auf Per-
sonen und Behörden, die nicht das leiseste Verschulden trugen.
Mitte März fuhr ich nach Brunn und Olmütz. In Olmütz sah ich
die Augmentierungsmannschaft des mit allen drei Bataillonen in
Bosnien stationierten Infanterieregiments Nr. 54. Übermäßig viel
Begeisterung herrschte dabei nicht. Man mußte sogar Vorsichtsmaß-
nahmen treffen, damit es beim Abtransport nicht zu störenden Mani-
festationen käme^). Mit Wehmut erinnerte ich mich der Augusttage
1878, wo dasselbeRegiment ebenfalls inOlmütz mobüisierte, und ein
wahrer Sturm der Begeisterung die damals allerdings noch ganz
deutsche Stadt durchbrauste. — Nach Przemysl gelangt, sah ich
gleichfalls große Transporte abgehen, wie ja überhaupt der Höhe-
punkt der Krise jetzt erreicht, und ein Ultimatum an Serbien ab-
gegangen war. Ein ähnliches Bild fand ich auch in Lemberg, da
auch dieses Korps mit zwei Divisionen an die Save dirigiert werden
sollte.
Am 25. März erfolgte die Lösung! Der „Freund in der schimmern-
den Wehr" hatte sich entschieden an unsere Seite gestellt, und dies
durch eine vom Botschafter Grafen Pourtal^s in Petersburg über-
1) Im Weltkrieg focht das Regiment aber doch avif allen Kriegsschauplätzen
mit größter Bravour.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918