Page - 135 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Meine sommerlichen Inspizierungstouren fortsetzend, erhielt ich in
Srebernica die Nachricht vom Attentat, das auf den Landeschef un-
mittelbar nach Eröffnung des Sabor verübt worden war. Ein jugend-
licher serbischer Fanatiker hatte fünf Schüsse auf den Wagen Vare-
sanins abgegeben und tötete mit dem sechsten Schuß sich selbst. Er
war das einzige Opfer des Attentats, was ans Wunderbare grenzte,
und Erzbischof Stadler sagte auch sogleich: ,,Das hat Gott gemacht".
Dieses Ereignis hatte Varesanins Stellung in Wien wesentlich be-
festigt. Dies benützend, erbat er meine Amovierung oder wenigstens
Versetzung auf einen anderen Posten. In der Motivierung des An-
trages soll ein zu geringes Maß an Unterordnung hervorgehoben wor-
den sein. Der Antrag passierte die Militärkanzlei des Thronfolgers,
der ihn a limine abwies.
Viel Sorge machte mir das Problem der eventuellen Landesvertei-
digung. Ich hatte das Empfinden, der Krieg mit Serbien würde
höchst wahrscheinlich kommen, dessen unausweichliche Folge der
allgemeine Krieg, zum mindesten aber jener mit Rußland sein würde.
Und es galt mir wie ein Axiom, daß Serbien dann sofort zum Neben-
kriegsschauplatz, und jedeverfügbareKraft gegen Rußland verwendet
werden müsse. Daher wären wir in Bosnien wohl auf eigene Kraft
angewiesen gewesen, was damals übrigens im allgemeinen Operations-
plan vorgesehen war. Die bosnisch-herzegowinischen Kräfte waren
aber schwach: im ganzen Land etwas über 75, im eigenen Bereich
36 Bataillone. Von letzteren konnte man jedoch höchstens 24 bis 26
zueinemSchlagevereinen, dagewisseRäume, PunkteundObjektenicht
freigelassen werden konnten. Dazu trat eine schwache, kleinkalibrige
Gebirgsartillerie und ein, sage ein Bataillon technischer Truppen.
Und auch die Befestigungen hatten einen höchst problematischen
Wert. Außer einigenDefensionskasernen kamen inmeinemRayonnur
Sarajewo und der Depotpunkt Kalinowik in Betracht, beide von
ausgesprochen strategischer, ersterer auch von eminenter politischer
Bedeutung, und beide in derAnnahme erbaut, daß dem Gegner nur
eine schwache, minderwertige Artillerie zur Verfügung stünde. Also
hohe Aufzüge, ungedecktes Mauerwerk und eine geringe Menge kase-
mattierter Räume. Wohl etliche Panzerkuppeln, jedoch schwach ar-
miert. Da aber die Serben und die Montenegriner nunmehr über
schwere Artillerie disponierten, genügte unser Befestigungssystem
nicht mehr. Wohl hatte die Natur manches zur Verteidigung des
Landes getan. Vor allem in der Drinalinie, wo sich im Raum bei
Visegrad eine vortreffliche Basis zur Verteidigung dieses Flusses vor-
fand. Aber schließlich konnte der Gegner alle Räume umgehen und
mit genügenden Angriffsmitteln lange Linien durchbrechen. Somit
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918