Page - 146 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Anfang Juni erging an alle Korpskommandanten die Einladung
zum Stapellauf des ersten Dreadnoughts „Viribus Unitis", der am
Custozzatag vor sich gehen sollte. Oberstleutnant von Brosch schrieb
mir, ich dürfe nicht fehlen, da sein Herj mich zu sprechen wünsche.
In Triest angekommen, fand ich ein Schriftenkonvolut vor, dem der
Separatabdruck des neuen Wehrgesetzes beigeschlossen war, und die
Aufforderung, mich noch am selben Nachmittag an Bord der erz-
herzoglichen Jacht ,,Lacroma" einzufinden.
Mit den meisten großen Männern habe ich wenigstens eine Eigen-
schaft gemein, die des Aberglaubens. So empfand ich ein unange-
nehmes Gefühl, als beim Besteigen des Bootes die Verbindungsplanke
unter meinem wahrlich nicht großen Gewicht zusammenbrach, und
ich fast ins Wasser gefallen wäre. Jedenfalls war aber mit dieser
kurzen Fahrt der Ausgangspunkt zu einer neuen Lebensepoche ge-
geben, die für mich viel Ehre und sachliche Erfolge, doch ungleich
mehr der schwersten Bitternisse barg.
Franz Ferdinand empfing mich in seiner übersprudelnden äußeren
Herzlichkeit und ging sofort in medias res über, mir alle seine An-
sichten entwickelnd und mein Einverständnis als gegeben voraus-
setzend. Gar so glatt war jedoch meine Antwort nicht. Und wieder
war es die ungarische Frage, die der Erzherzog, insoweit die Armee
in Betracht kam, mit einem Ruck gelöst wissen wollte, wozu ich aber
nicht Ja und Amen sagen konnte. Eines Sinnes war ich mit ihm,
daß das Wehrgesetz, darauf man wie auf einen Messias wartete,
große Mängel aufwies, die mir gleich bei der ersten Durchsicht ins
Auge sprangen. Dagegen erblickte ich im neuen Müitärstrafprozeß-
verfahren einen wesentlichen Fortschritt, und erkannte in der hier-
bei proponierten Regelung der Sprachenfrage einen Modus, dem
unter den gegebenen Verhältnissen nicht auszuweichen war. Sehr
radikal behandelte Franz Ferdinand die Personalfrage. Seiner
Ansicht nach hätte ein vollständiges ,,Auskehren mit dem eisernen
Besen" erfolgen sollen. Prinzipiell stimmte ich ihm zu. Doch Men-
schenfreundlichkeit und Kameradschaft ließen mich später seine
Wünsche nicht so rücksichtslos erfüllen, wie er es wollte, was mir
dann persönlich zu großem Schaden gereichen sollte. Im großen und
ganzen endete jene ausschlaggebende Audienz beiderseits nicht zur
vollstenZufriedenheit, und es dürfte unsbeide derGedanke beherrscht
haben, daß die Praxis noch viel zu tun haben würde, um die be-
stehenden Gegensätze auszugleichen. Restlos glichen sie sich eigent-
lich niemals aus. Wenigstens nicht auf die Dauer. Ich fühlte es
schon damals,und esstörte mir den frohenGenuß der schönen militär-
politischen Feier.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918