Page - 49 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Image of the Page - 49 -
Text of the Page - 49 -
Michael Tangl (1861–1921) 49
Edition seit Anfang Mai fertig in Innsbruck liegen, und es ist trotz der Intervention von Mühl-
bacher, Ottenthal und Redlich kein Correcturbogen zu bekommen. Ich bedauere längst tief
und lebhaft, mich mit ihm eingelassen zu haben113. Es dauerte schließlich noch bis 1894,
bis das Buch tatsächlich erscheinen114 und von Sickel in einer Audienz Papst Leo XIII. als
eine der Leistungen des Istituto Austriaco präsentiert werden konnte115.
Eine „Neubearbeitung des Erler’schen Liber Cancellariae“116 im strengen Sinne ist
das Werk aber nicht. Erler hatte den Liber Cancellariae in der Fassung des Dietrich von
Nieheim aus den ihm bekannten Handschriften als fortlaufenden Text abgedruckt. Tangls
Ausgabe versucht hingegen, das Werden der Verfahrensvorschriften und Hilfsmittel der
Kanzlei in seinem chronologischen Verlauf seit dem späten 12. Jahrhundert darzustellen
und so ein „brauchbares Hilfsbuch“ für die Lehre von den Papsturkunden des späten Mit-
telalters, „sozusagen einen ‚Codex diplomaticus cancellariae apostolicae‘, zu schaffen“117.
Zu diesem Zweck ordnet er die Texte in fünf große Sachabschnitte : Provinciale, Jura-
menta, Constitutiones, Formulae, Reformationes ; die „Einheit“ der Texte wird durch eine
umfangreiche, mehr als 60 Seiten lange Einleitung erschlossen, auf die noch die zum Teil
sehr ausführliche Beschreibung der verwendeten Handschriften folgt. Trotz ihres mittler-
weile hohen Alters ist Tangls Ausgabe bis heute ein wesentliches Hilfsmittel. Als solches
erkannten es auch die Zeitgenossen, auch wenn die einzige ausführliche Rezension durch
Johannes Haller118 eine eher zweideutige Mischung von Lob, Detailkritik und durch-
aus weitgehender allgemeiner Kritik enthielt. Manches ist nicht nur durch das Auffinden
neuer Handschriften, sondern auch durch eine Neubewertung der Überlieferungsverhält-
nisse überholt – dies trifft etwa auf die Konstitution Nikolaus’ III. zu, für deren Texter-
stellung Tangl sich so verzweifelt um die Aufklärung des Pitra’schen Zitierirrtums bemüht
hatte. Sie wurde 1933 durch Geoffrey Barraclough neu herausgegeben, wobei der Editor
Tangls Texterstellung als im Grundsätzlichen verfehlt beurteilte119. Den großen Bereich
der Verfahrensvorschriften und Formularsammlungen der Audientia litterarum contradic-
tarum, den Tangl völlig ausgespart hatte, behandelte aufbauend auf Vorarbeiten des durch
diesen angeregten Tangl-Schülers Heckel in erschöpfender Weise erst Peter Herde120. Eine
113 Tangl an Sickel, 13.12.1892, ebd.
114 Die päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200–1500, hg. v. Michael Tangl (Innsbruck 1894, ND Aalen
1959). Zum Neudruck vgl. Schaller, Tangl (wie Anm. 1) 46–48.
115 Sickel, Römische Erinnerungen (wie Anm.68) 192.
116 So Tangl an Sickel, 04.07.1889, wie oben Anm. 93.
117 Tangl, Kanzleiordnungen (wie Anm. 114) VII. Dementsprechend weist Tangl selbst auf die fortbestehende
Aktualität der Erler’schen Ausgabe hin (ebd. VI).
118 HZ 77 (1896) 115–119.
119 Geoffrey Barraclough, The Chancery Ordinance of Nicholas III. A Study of the Sources, in : Quellen und
Forschungen aus Italienischen Archiven und Bibliotheken 25 (1933/34) 192–250.
120 Peter Herde, Audientia litterarum contradictarum. Untersuchungen über die päpstlichen Justizbriefe und
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien