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150 Klaus Wachtel
zehntelange, in liebevoller Hingabe geleistete Arbeit innerlich so innig verbunden, wie dies
nicht alltäglich vorkommt. Und die Urteile in den Fachzeitschriften aller Nationen haben so
ziemlich einmütig gezeigt, daß unsere Leistungen der Akademie nicht zur Unehre gereichten.
Besonders nahe geht mir auch, daß ich mit dem Aufhören unserer Mitarbeit den Vorzug und
die Freude nicht mehr genießen soll, mit Ihnen, hochgeschätzter Herr Geheimrat, in regelmä-
ßiger und sozusagen amtlicher Verbindung zu stehen […].
Im Januar 1939 erfolgte die offizielle Kündigung des Vertragsverhältnisses134. Die Re-
aktionen der Betroffenen in Prag und Wien unterschieden sich voreinander : Stein er-
klärte, dass er die Beendigung des Vertragsverhältnisses […] mit schmerzlichem Bedauern
zur Kenntnis nimmt und bereit sei, seine Materialsammlung zu den restlichen Personen
der Prosopografie der Akademie gegen ein angemessenes Honorar zur Verfügung zu stellen ;
außerdem wünschte er der von der Akademie betreuten Prosopographia imperii Romani, die
uns beiden, Groag und mir, als eine Lebensarbeit ans Herz gewachsen ist, auch nach unserem
Ausscheiden einen gedeihlichen Fortgang und besten Erfolg135. Groag dagegen antwortete
kurz und kühl und lehnte eine Übergabe seiner Materialsammlung ab136. An dieser ab-
lehnenden Haltung konnte auch der Freund aus Prag, den die Akademie um Vermittlung
gebeten hatte, nichts ändern : Ich habe Groag von Ihrem bzw. der Akademie Verlangen, das
gesamte Material abzuliefern, Mitteilung gemacht und ihn zu bestimmen gesucht, diesem Ver-
langen zu entsprechen, so wie ich selbst dazu bereit bin. Leider ist es mir nicht gelungen, mei-
nen Freund umzustimmen : Er beharrt auf seiner Weigerung und so trennen sich in unserer seit
Jahrzehnten gemeinsamen Arbeit unsere Wege137. Man spürt Resignation und Enttäuschung
hinter diesen Worten ; auf der anderen Seite beeindruckt die loyale Haltung tief, die Stein
der Akademie gegenüber einnahm, wenn er vor allem das Wohl des an der Akademie
herausgegebenen Werkes im Auge hatte.
Trotzdem wurde von Prag aus weiter gegen ihn intrigiert. Der kommissarische Gaudo-
zentenbundsführer Konrad Bernhauer138 schrieb am 6. Juni 1939 an die Preußische Aka-
demie der Wissenschaften139 : Laut uns vorgelegtem Schreiben vom 15. Mai d.J. des einstigen
Professors der Universität Prag Dr. Arthur Stein an Herrn Dozenten [Willy Johann] Hüttl soll
der Erstgenannte, obzwar er Jude ist, von der Preußischen Akademie der Wissenschaften be-
auftragt worden sein, den dritten Band der Prosopographie herauszugeben. Wir erachten es für
vollkommen untragbar, dass heute noch der Jude Stein im Auftrag der Preußischen Akademie
der Wissenschaften mit einer wissenschaftlichen Arbeit betraut wird. Da wir nicht annehmen
134 Ebd. gleichlautende Briefe Heymanns an Groag und Stein vom 09.01.1939.
135 Ebd. Brief Steins an Heymann vom 18.01.1939.
136 Ebd. Brief Groags an die Akademie vom 16.01.1939.
137 Ebd. Brief Steins an Heymann vom 15.02.1939.
138 Zu ihm Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender 1940/41 ; 1950 ; 1961.
139 ABBAW, II–VIII, 141 ; eine Abschrift befindet sich im UAP.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien