Page - 50 - in Opfernarrative in transnationalen Kontexten
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50â â Ljiljana RadoniÄ
GrĂŒndung der Task Force for International Cooperation on Holocaust Education,
Remembrance, and Research im Jahr 1998 (heute IHRA) und dem Stockholm
International Forum on the Holocaust, einer groĂen Konferenz am Jahrestag
der Befreiung von Auschwitz im Jahr 2000 (Kroh 2008, 111), einerseits in BemĂŒ-
hungen nieder, die Zugehörigkeit zum âWestenâ und die EU-Beitrittsâreifeâ unter
Beweis zu stellen, indem man der Erinnerung an den Holocaust in der nationalen
Geschichtspolitik einen prominenten Platz einrÀumte. Dieser Entwicklung ent-
gegen steht andererseits die Ăbernahme von aus der Holocaust-Erinnerung ver-
trauten Begriffen, Symbolen und Ăsthetiken, um zu beweisen, man habe selbst
âwie die Judenâ gelitten, sei Opfer eines sowjetischen Genozids geworden (den das
Museum der Genozidopfer in Vilnius lange Jahre bereits im Namen trug, bis es
sich 2018 in Museum der Okkupation und der FreiheitskÀmpfe umbenannte) oder
habe einen âExodusâ erlebt (wie es im Museum des Warschauer Aufstands heiĂt).
Die individuellen Opfer dieser ineinander verschrÀnkten historischen Ereignisse
werden hierbei zu SpielbÀllen der jeweiligen geschichtspolitischen Botschaften
an das nationale und internationale Publikum.
In jenen staatlichen Museen, die traumatische Geschichte zugleich ausstellen
und ihrer gedenken, wird das in einer Gesellschaft dominante Geschichtsnarrativ
als Fundament der Gegenwart sichtbar. Der Anspruch, die Vergangenheit âauthen-
tischâ darzustellen, dieser âtouch of the realâ (Sarkisova und Apor 2008, X) macht
sie so attraktiv fĂŒr Geschichtspolitik. Robin Ostow fasst Museen in spĂ€ten Demo-
kratien gar als SchlĂŒsselorte fĂŒr kulturelle und Geschichtspolitik (2008, 3), die nun
â nicht nur, aber sehr stark auch in postsozialistischen LĂ€ndern â mittels neuer
Medien als High-Tech-Museen um- oder neugestaltet werden. Die Diskussion ĂŒber
die Rolle von Museen als ReprÀsentanten und Vermittlungsinstanzen von natio-
naler IdentitÀt geht seit den 1990er Jahren mit einem Perspektivwechsel einher.
Die Opferperspektive hat im Wesentlichen Helden-, MĂ€rtyrer- und Widerstands-
narrative abgelöst (Rousso 2011, 32). Hierbei muss jedoch unterschieden werden
zwischen einem individualisierten Zugang, der das Leben âdavorâ miteinbezieht
und Empathie erlaubt, und einem kollektiven VerstÀndnis von Opfern als emoti-
onalisierendes Symbol fĂŒr nationales Leid. Der kollektive Zugang geht mit einer
Externalisierung der Verantwortung einher, die zu einem âEuropa der Opferâ fĂŒhrt.
Vor dem Hintergrund meines gröĂeren (Habilitations-)Projektes ĂŒber zehn
mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs befasste Gedenkmuseen in postsozialisti-
schen LĂ€ndern von Estland bis nach Ex-Jugoslawien analysiere ich in diesem
Beitrag, wie sich diese Doppelbedeutung der Universalisierung des Holocaust in
stĂ€ndigen Ausstellungen von vier Museen â einerseits in der Slowakei und Kro-
atien, andererseits in Litauen und Ungarn â auf die ReprĂ€sentation der unter-
schiedlichsten Opfergruppen und individueller Opfer niederschlĂ€gt. FĂŒr diese
Untersuchung wurden jeweils zwei Museen ausgewÀhlt, die besonders deutlich
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
- Title
- Opfernarrative in transnationalen Kontexten
- Editor
- Eva Binder
- Christof Diem
- Miriam Finkelstein
- Sieglinde Klettenhammer
- Birgit Mertz-Baumgartner
- Marijana MiloĆĄeviÄ
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069346-1
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 350
- Keywords
- Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, TransnationalitÀt
- Category
- LehrbĂŒcher