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flussten und vorantrieben. Entstanden als einer der letzten europäischen Natio-
nalbewegungen war das Spezifikum des Zionismus seine Extraterritorialität, aber
auch das Konglomerat religiöser, politischer, kultureller und sozialer Vorstellungen
aus dem 19. und frühen 20.
Jahrhundert, das zur Entwicklung und Verbreitung der
Ideologie beitrug.
Vor dem Hintergrund der vielschichtigen Wurzeln und Ziele des Zionismus
müssen auch die ersten Migrationsbewegungen nach Palästina gesehen werden:
Obschon die zionistischen Ideen schrittweise mehr Anhängerinnen und Anhänger
fanden, ging die frühe Alijah nicht primär auf ideelle Interessen, sondern in großem
Ausmaß auf rein praktische Überlegungen zurück und war häufig das Resultat poli-
tischer und wirtschaftlicher Notsituationen.
Frühe Palästina-Wanderung und „praktischer Zionismus“
Jüdische Emigrantinnen und Emigranten, die in der ersten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts nach Palästina wanderten, stammten hauptsächlich aus Osteuropa, in
geringerem Umfang auch aus Nordafrika, dem Nahen Osten und der Türkei. Die
wirtschaftliche Notlage und die gesellschaftliche Diskriminierung in vielen Teilen
Osteuropas bewegten unzählige Jüdinnen und Juden dazu, ihre Heimat zu verlas-
sen. Während sich die überwiegende Mehrheit in der Hoffnung auf sozialen und
ökonomischen Aufstieg in Amerika niederließ, entschied sich nur ein kleiner Teil,
nach Palästina aufzubrechen. Von 2,6 Millionen Jüdinnen und Juden, die zwischen
1882 und 1914 aus Russland auswanderten, immigrierten nur fünf Prozent nach
Palästina. Die Erste Alijah (1882–1902/03), die insgesamt 20.000 bis 30.000 Perso-
nen zählte, verzeichnete außerdem zahlreiche Rückwanderinnen und Rückwan-
derer: Ungewohnte klimatische Bedingungen, Krankheiten oder eine allgemeine
Enttäuschung über die Landesverhältnisse trieb mehr als ein Drittel der ersten
Immigrantinnen und Immigranten dazu, Palästina wieder zu verlassen.
Mitausschlaggebend für die frühe Palästina-Wanderung waren externe Faktoren,
wie die ökonomische Unsicherheit, die fortschreitende Proletarisierung in den Städ-
ten und (in Russland) die Angst vor weiteren Pogromen. Einem zeitgenössischen
Beobachter zufolge konnte das Ausmaß der Auswanderung seit den 1880er Jahren
als Indikator für die politische, wirtschaftliche und soziale Situation der (europäi-
schen) Jüdinnen und Juden gesehen werden:
„Seit jener Zeit ist die jüdische Auswanderung ein Gradmesser für die Wucht
der Schläge geworden, mit denen unser Volk durch grausame Gesetze und
Verordnungen, durch feindselige Volksstimmungen und ungünstige wirt-
schaftliche Entwicklungen bedacht wird. An der Zahl der Einwanderer […]
kann die Größe von Not, Elend und Unterdrückung der Juden mit Leich-
tigkeit abgelesen werden.“59
59 Bernhard Kahn, Die jüdische Auswanderung. In: Ost und West, Jg. 5 (1905) Nr. 7, Sp. 459.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918