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Die Balfour-Deklaration
Als das Osmanische Reich im 19. Jahrhundert kurz vor dem Zusammenbruch zu
stehen schien und sich die europäischen Mächte ihre Einflusssphären zu sichern
versuchten, kristallisierte sich Palästina als deren favorisiertes Territorium heraus.94
Auch wenn Russland, Deutschland und Frankreich jeweils bestimmte Interessen
im Nahen Osten verfolgten, so war die Region speziell für die imperialen Ziele
der Briten von strategischer Bedeutung: Die Sicherung der See- und Landwege
nach Indien und die Verteidigung des ägyptischen Hinterlandes, das aufgrund des
Suezkanals für die Handelsbeziehungen unverzichtbar war, standen im Zentrum
der britischen Orientpolitik. Der Erhalt des ausgewogenen Machtgefüges verlangte
während des Ersten Weltkriegs wiederholt geheime Abmachungen, die nicht selten
das für die Europäer attraktive Palästina zum Inhalt hatten.
Als Reaktion auf den (fehlgeschlagenen) türkischen Angriff auf den Suezka-
nal versuchte der britische Hochkommissar von Ägypten, Sir Henry MacMahon,
die führende Persönlichkeit der arabischen Halbinsel, Hussein, den Sharifen von
Mekka, für einen Aufstand gegen die türkischen Streitkräfte zu gewinnen, wäh-
rend Großbritannien als Gegenleistung die nationale Unabhängigkeit der Araber
unterstützen würde. Detaillierte Vereinbarungen sind dem in den Jahren 1915 bis
1916 erfolgten Briefwechsel, der unter der so genannten „MacMahon-Hussein-
Korrespondenz“ bekannt wurde, allerdings nicht zu entnehmen. Da weder die
genauen Grenzen des zukünftigen arabischen Staates definiert wurden, noch der
Name „Palästina“ vorkommt, bleibt offen, ob das Land in das Gebiet zwischen Mit-
telmeer und Persischem Golf miteinbezogen werden sollte. Unrealisiert blieb auch
das nach den beiden Unterzeichnern benannte „Sykes-Picot-Abkommen“, das die
Aufteilung des Osmanischen Reichs unter den alliierten Mächten vorsah: Gemäß
den Bedingungen des Abkommens sollte Frankreich Syrien und den Libanon erhal-
ten, während Palästina in eine britische und eine französische Kontrollzone geteilt
und der Rest unter internationale Verwaltung gestellt werden sollte. Obwohl das
Gebiet zwischen Gaza und Aquaba mit Transjordanien bis zum Golf von Persien
Großbritannien zugesprochen wurde und damit der Meerzugang gesichert blieb,
wurde die Vereinbarung von 1916 nicht umgesetzt und nach einer Alternative
gesucht, die ein Jahr später durch die für die jüdische Geschichte entscheidende
Balfour-Erklärung im November 1917 gefunden zu sein schien.
Die in Form eines Briefes des britischen Außenministers Lord Arthur Balfour
(1848–1930) an den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Großbritannien
94 Dies drückte sich nicht nur in der zeitweiligen lokalen Präsenz, sondern auch in Schutzerklärungen
der Regierungen für bestimmte religiöse Gruppen aus: Russland für die orthodoxen Christen,
Frankreich für die Katholiken und England für die Protestanten und Juden. Petry, Palästina, S. 23.
Zur Balfour-Deklaration siehe allgemein Leonard Stein, The Balfour Declaration, Jerusalem-Lon-
don 1983.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918