Page - 62 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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Die nicht unbeträchtliche Anzahl an Immigrantinnen und Immigranten, die in
Palästina nicht Fuß fassen konnte und im Laufe der 1920er Jahre wieder nach Öster-
reich zurückkehrte, führte zu einer noch rigideren Überprüfung der Kandidatin-
nen und Kandidaten seitens der Palästina-Amt-Kommission, die sich nicht selten
vor der Exekutive für das ungeeignete, ins Land geschickte „Menschenmaterial“153
rechtfertigen musste. In vielen Fällen waren die Einwanderinnen und Einwanderer
der schweren körperlichen Arbeit nicht gewachsen und eine absolvierte Hachscha-
rah garantierte noch längst keinen entsprechenden Arbeitsplatz.
Für die Beschaffung des Visums (gleich welcher Kategorie) mussten die Emig-
rantinnen und Emigranten nicht persönlich bei der britischen Passstelle vorstellig
werden, eingeholt wurde es vom Passreferenten des Palästina-Amtes. Die Auswan-
derinnen und Auswanderer hatten lediglich die je nach Nationalität variierende
Visagebühr zuzüglich eines geringen Betrages für den Emigrationsfonds zu entrich-
ten und einen Fragebogen auszufüllen, der gemeinsam mit der Gebühr und dem
Pass der Passstelle zur Vidierung übermittelt wurde.
Während prinzipiell bereits bei der Registrierung der Nachweis erbracht werden
musste, dass das erforderliche Reisebudget vorhanden war, gewährte das Paläs-
tina-Amt „würdigen und mittellosen Chaluzim“ häufig Reisedarlehen, entweder
für sämtliche Kosten der Übersiedelung oder als Zuschuss zu den Eigenmitteln.
Jene Chaluzim, die in Österreich ihre Hachscharah absolvierten, hatten Anspruch
auf ein volles Darlehen. Die Schuldscheine wurden dem Inkasso-Department der
„Zionistischen Exekutive“ in Jerusalem zur Einhebung der Schuld übermittelt. Um
den Emigrantinnen und Emigranten mögliche beim Devisenverkehr und -tausch
entstehende Schwierigkeiten und Benachteiligungen zu ersparen
– im Zusammen-
hang mit der Geldausfuhr berichteten Auswanderer häufig von Übervorteilung,
Konfiskation und Diebstahl
– vereinbarte das Palästina-Amt mit der „Anglo-Pales-
tine Bank“ in Jaffa, dass direkte Geldüberweisungen von Wien aus vorgenommen
werden konnten.
Für die Gruppe der Durchwanderinnen und Durchwanderer kamen in gewissen
Bereichen unterschiedliche bzw. zusätzliche Vorschriften zur Anwendung. Basie-
rend auf dem Erlass des Staatsamtes für Inneres vom 26. August 1920, der das
Palästina-Amt dazu ermächtigte, die Durchwanderung durch Österreich im Ein-
vernehmen mit der Auswanderungszentrale der Polizeidirektion Wien zu regeln,
hatten sich ausländische Jüdinnen und Juden, die die Grenze passieren wollten,
beim Palästina-Amt zu melden und ein Durchreisevisum, die so genannte „Grüne
Legitimation“, einzuholen. Wurde die vorgesehene maximale Aufenthaltsdauer von
acht Tagen aus organisatorischen Verzögerungen überschritten, musste eine poli-
zeiliche Sondererlaubnis eingeholt werden, unabhängig davon, welche Staatsange-
hörigkeit die Reisenden hatten. Vorgeschrieben war außerdem eine ärztliche Unter-
suchung, eine Desinfektion erfolgte hingegen auf freiwilliger Basis. Die Wartezeit
von durchschnittlich ein bis zwei Tagen, die mit der Abwicklung aller Formalitäten
verbunden war, verbrachten die Emigrantinnen und Emigranten in der Regel in
153 Dieser Begriff wurde tatsächlich häufig von Zionistinnen und Zionisten verwendet.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918