Page - 65 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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ventionieren hätte, wäre daher „einigermaßen überflüssig“.158 Das betroffene Büro
reagierte darauf mit der Veröffentlichung einer Gegendarstellung, mit der das in der
Zeitschrift Vorgebrachte zumindest entkräftet werden sollte. Auf eine Statistik der
zwischen April und November 1922 über Wien nach Palästina abgereisten Personen
(insgesamt 2.343) folgte die Richtigstellung, dass die Palästina-Ämter in Warschau
und Lemberg auf der Basis eines provisorischen Abkommens mit den rumänischen
Behörden bisher lediglich drei Probetransporte über Galatz geleitet hätten. Das
Wiener Palästina-Amt zu einem Zeitpunkt, zu welchem die alternative Route noch
nicht erschlossen sei, aufzuheben, wäre „nichts anderes, als eine unverantwortliche
und leichtfertige Gefährdung der ohnehin mit großen Schwierigkeiten kämpfenden
jüdischen Wanderung nach Palästina.“159 Wenn auch die komplette Schließung des
Büros verhindert werden konnte, setzten sich die Befürworter einer deutlichen Ver-
kleinerung des Palästina-Amtes in der Debatte um die Zukunft der Niederlassung
in Österreich durch. In einem seiner letzten Schreiben Martin Rosenblüths in seiner
Funktion des Amtsleiters meldete er an die „Zionistische Exekutive“ in Jerusalem,
dass die Mitarbeiter mit dem Abbau des „zentralen Palästina-Amtes Wien“ beschäf-
tigt wären, von welchem in Kürze, sollte die Wanderung über Wien so geringfügig
bleiben, wie in den letzten Wochen,160 vielleicht nur mehr ein kleines „Landes-
Palästina-Amt für Österreich“ übrig bleiben würde.161 Die Umstrukturierung schlug
sich zunächst in der Dezimierung des Personalstandes nieder, der sich bis zum 1.
Jänner 1923 um sechs Beamte verringert hatte. Die Exekutive sprach sich vor allem
aus Kostengründen für einen Mitarbeiterabbau aus, empfahl aber, dass sich das
Büro bei formeller Kündigung aller Beamten dennoch die Möglichkeit offen lassen
sollte, ein kleines Amt weiterzuführen, das bei etwaigen Schwierigkeiten, die bei der
Abwicklung der Alijah über Rumänien auftauchen könnten, wieder entsprechend
erweitert werden könnte.162 Im Laufe des Jahres wurden die monatlichen Subventi-
onen noch einmal gekürzt, sodass die Amtsgeschäfte unter der Leitung von Nahum
Blauer, der bereits seit 1919 im Palästina-Amt beschäftigt war, nur mehr mit zwei
weiteren Mitarbeitern bestritten werden mussten.
Konnte trotz des massiven Rückgangs an Jüdinnen und Juden, die über Wien
auswanderten, zu Beginn der Vierten Alijah (1924 bis 1928) noch argumentiert
werden, dass auch eine noch so geringe Anzahl an Emigranten und Touristen
nichtsdestotrotz von irgendeiner Stelle abgefertigt werden müsste, und dass der
Fortbestand des Palästina-Amtes nicht zuletzt wegen seiner intensiven Propaganda-
und Aufklärungstätigkeit speziell in ökonomischen Fragen relevant wäre, so schien
158 Erklärung des Palästina-Amtes Wien, 5. 12. 1922. CZA, Z4/41316, S. 261.
159 Ebda.
160 Die für die ersten vier Monate des Jahres 1923 vorliegenden Zahlen belegen den erwarteten Rück-
gang an abgefertigten Personen: Insgesamt 691 Durchwanderinnen und Durchwanderer und 186
Emigrantinnen und Emigranten, die ihren Ausgangspunkt in Österreich hatten (die österreichische
Staatsangehörigkeit hatten davon 43 Personen), nahmen die Dienste des Palästina-Amtes von 1.
Jänner bis 30. April in Anspruch. CZA, Z4/41316, S. 144.
161 Martin Rosenblüth an Prof. Pick, Zionistische Exekutive Jerusalem, 18. 12. 1922. CZA, Z4/41316,
S. 221.
162 Zionistische Exekutive an Martin Rosenblüth, 5. 1. 1923. CZA, Z4/41316, S. 212.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918