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und Auswanderer184 in den 1930er Jahren generell äußerst begrenzt. So verfügte das
Palästina-Amt im Zeitraum Oktober 1930 bis März 1931 lediglich über 13 Zertifi-
kate. Das Missverhältnis zwischen vorhandenen und benötigten Einreisegenehmi-
gungen wird mit der Anzahl an für das folgende Halbjahr angemeldeten Auswande-
rinnen und Auswanderern deutlich: Im Mai 1931 waren 55 Männer und 18 Frauen
für die nächste Alijah vorgemerkt, wobei 39 Personen dem „Hechaluz“ angehörten
und sich die übrigen direkt beim Palästina-Amt registriert hatten. Einem an das
Einwanderungsdepartment gerichteten Beschwerdeschreiben vom Juni 1932 über
die unzulängliche Berücksichtigung der österreichischen Alijah wurde außerdem
eine Resolution der Palästina-Amts-Kommission beigefügt, in der der geringe
Stellenwert der chaluzischen Alijah, die insbesondere für die Aufbautätigkeit des
Landes vonnöten war, beklagt wurde:
„Angesichts der großen Anzahl gut vorbereiteter und seit Jahren ihrer Alijah
harrenden Bewerber um Chaluz-Zertifikate in allen Ländern der Galuth
und in Österreich speziell, einerseits, und der verhältnismäßig geringen
Bewerberanzahl innerhalb der übrigen Kategorien, sieht sich das Palästi-
naamt veranlasst, gegen die quantitative Zurücksetzung der Chaluz-Alijah
zu protestieren, wobei eindeutig erklärt wird, dass sich dieser Protest bloß
gegen die quantitative Verteilung innerhalb der einzelnen Kategorien richtet
und nicht gegen die Mittelstandseinwanderung als solche, deren Bedeutung
vollauf gewürdigt wird.“185
Problematisch für die chaluzische Alijah war speziell der Umstand, dass diese weit-
gehend unter die Kategorie der Arbeiterzertifikate fiel, deren Anzahl von den Ver-
handlungen zwischen britischer Regierung und Jewish Agency abhing.
Verbesserungen stellten sich in den folgenden Monaten und Jahren nicht ein,
vielmehr erschwerte der ab 1933 vermehrte Zuzug oder vorübergehende Aufenthalt
von polnischen und deutschen Jüdinnen und Juden, die ebenfalls versuchten, an
ein österreichisches Zertifikat zu gelangen, die Situation. Sowohl das Palästina-Amt
als auch das „Zionistische Landeskomitee für Österreich“ wandten sich Anfang
1934 an die Jewish Agency und protestierten gegen die Behandlung Österreichs
als quantité negligeable: Wien als zweitgrößte jüdische Gemeinde Europas müsste
prinzipiell schon eine höhere Anzahl zugewiesen bekommen, zudem würde die
große Unsicherheit und Angst im Hinblick auf die politischen Verhältnisse viele
Jüdinnen und Juden zur Auswanderung drängen, was sich allein in der Vielzahl
an Personen, die Palästina als Touristinnen und Touristen bereisten, widerspiegeln
würde. Eine Veränderung sollte schließlich auch der Vermerk herbeiführen, dass
sich die in der Palästina-Amts-Kommission tätigen Repräsentanten bei den der-
zeitigen Gegebenheiten allmählich außer Standes sahen, als solche zu fungieren:
184 Nach 1933 wurde das Kontingent für Österreich beispielsweise im ersten Halbjahr 1935 erneut
beträchtlich vermindert und zahlreiche Zertifikate nach Deutschland gesandt.
185 Palästina-Amt Wien an Jewish Agency, 17. 6. 1932. CZA, S6/2541.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918