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Steinherz, erledigte bis zur Errichtung des österreichischen Konsulats außerdem die
täglichen Konsulatsgeschäfte.270 In Tel Aviv, Haifa und Jerusalem
– in jenen Städten
also, in denen die meisten Jüdinnen und Juden aus Österreich lebten – entstan-
den Niederlassungen, die zur Erfüllung der Aufgaben jeweils mehrere Abteilungen
(Stellenvermittlung, Wirtschaftsberatung, Rechtshilfe etc.) einrichteten. Da eine
beträchtliche Anzahl österreichischer Immigrantinnen und Immigranten mittel-
los ins Land kam und zudem häufig erkrankt, arbeitslos oder arbeitsunfähig war,
war besonders die Fürsorgeabteilung stark frequentiert. Darlehen konnte die HOA
als einzige Hilfsinstanz für Neueinwanderinnen und -einwanderer aus Österreich
aber aufgrund ihrer äußerst begrenzten finanziellen Mittel bei Weitem nicht in
allen Fällen gewähren. Zu den Angeboten zählten weiters die Veranstaltung von
Vorträgen und Kursen für Hebräisch, Englisch und Arabisch, später wurde außer-
dem eine eigene Zeitschrift publiziert. Wie eines der Folgekapitel zeigen wird, nahm
die Intervention zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung Österreichs bei der
Zertifikatsverteilung im Laufe der HOA-Tätigkeit einen immer größeren Stellen-
wert ein.271
Reaktionen auf die jüdische Masseneinwanderung: Protest und
veränderte Rahmenbedingungen
Das „Passfield-Weißbuch“
Brachte die verstärkte Einwanderung der 1920er und 1930er Jahre für die jüdische
Bevölkerung Palästinas einen Aufwärtstrend vor allem im Wirtschaftsbereich mit
sich, so resultierte sie im Politischen in massiven Problemen. Seit der Veröffent-
lichung der Balfour-Erklärung hatte die arabische Bevölkerung ihre Ablehnung
gegenüber dem zionistischen Projekt und dem britischen Mandat laufend mehr
oder weniger intensiv artikuliert: Gewaltreiche Formen nahm der Widerstand
zunächst im April 1920 an, als anlässlich eines religiösen Festes in Jerusalem Unru-
hen entstanden waren, und schließlich in den Jahren 1928 und 1929, als es zu hefti-
gen Zusammenstößen an der Klagemauer kam. Nachdem die Empfehlungen der als
Reaktion auf die gegenseitigen Angriffe entsandten britischen Untersuchungskom-
mission unter Sir Walter Shaw nicht umgesetzt worden waren (vorgesehen war eine
strikte Begrenzung der Landverkäufe und der jüdischen Einwanderung), errichte-
ten die Briten zwar ein neues Überprüfungskomitee; die Schlussfolgerungen, die
ins so genannte „Passfield-Weißbuch“ vom Oktober 1930 einflossen, blieben aber
nahezu die selben.272 Zusammenfassend empfahl der britische Kolonialminister,
270 Adunka, Exil, S. 17 f.
271 Palästina-Informationsbuch, S. 100; Walter Eckstein, Die Hitachduth Olej Austria. In: Die Stimme,
Nr. 40 (13. 11. 1940). CAHJP, A/W 2603,16.
272 Vgl. Gabriel Sheffer, Intentions and Results of British Policy in Palestine. Passfield’s White Paper.
In: Middle Eastern Studies 9/1 (1973) S. 43–60.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918