Page - 105 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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bische Bevölkerung besaß noch immer keine legitime politische Vertretung und
sowohl die Einwanderungsrate als auch die Landkäufe der Jüdinnen und Juden
waren höher als je zuvor, wobei bei letzterem besonders problematisch war, dass
das vom „Jüdischen Nationalfonds“ erworbene Land auf Dauer dem Markt ent-
zogen und damit die kontinuierliche Ausweitung der arabischen Landwirtschaft
verhindert wurde. Die Verteidigung eigener politischer, ökonomischer und sozialer
Interessen motivierte schließlich weite Teile der muslimischen Bevölkerung dazu,
dem Aufruf zu Ungehorsam und Streik
– Protestformen, die nach erfolglosen Ver-
handlungen mit den Briten übrig geblieben waren – zu folgen.
Der Aufstand begann im April 1936 mit einem Generalstreik, der mit dem Boy-
kott britischer und jüdischer Waren, Dienstleistungen und Einrichtungen verbun-
den war. Mit Ende des Jahres 1936 nahm die Bewegung gewaltsame Formen an, die
sich im bewaffneten Widerstand in den ländlichen Regionen Zentral- und Nord-
palästinas, aber auch in Anschlägen gegen die britische Infrastruktur ausdrückten.
Eine kurzzeitige Phase der Beruhigung kam der Regierung gelegen, um erneut eine
Untersuchungskommission zu entsenden, die unter William Robert Wellesly, Earl
Peel, ihre Arbeit aufnahm und ihre Ergebnisse im bereits vielfach zitierten „Peel-
Bericht“ vom 7. Juli 1937 veröffentlichte. Nach der Einschätzung Tom Segevs war
der eigentliche Zweck der Kommission, die die bis dahin gründlichste Ursachen-
forschung des Konflikts betrieb, der Regierung zu helfen, sich der Bürde Palästinas,
die sich insbesondere mit dem zunehmenden Terror und der drohenden Kriegs-
gefahr in Europa vergrößert hatte, zu entledigen. Peel war der Auffassung, dass
„die sozialen, moralischen und politischen Unterschiede zwischen der arabischen
und der jüdischen Gemeinschaft bereits unüberbrückbar seien“278, und empfahl
deshalb nachdrücklich die Teilung des Mandatsgebietes in zwei Staaten bzw. drei
Zonen: Der arabischen Bevölkerung sollten 70 Prozent, der jüdischen hingegen
nur 20 Prozent des Landes zugesprochen werden. In Anbetracht dessen, dass der
Vorschlag eine deutliche Vergrößerung ihres bisherigen Gebietes bedeutete und die
heiligen Stätten in der britischen Zone liegen sollten und deshalb frei zugänglich
gewesen wären, befürworteten die Jüdinnen und Juden die Teilung, forderten aber
eine andere Grenzziehung. Die arabische Führung sprach ihre dezidierte Ablehnung
aus. Mit der Begründung, dass letztendlich beide Seiten unzufrieden waren, wurde
der „Peel-Plan“ von der neu eingesetzten Untersuchungskommission („Woodhead-
Kommission“) verworfen und war schon bis 1938 wieder in Vergessenheit geraten.
Dennoch führte er einen Aspekt in die Diskussion um die Immigrationspolitik
ein, der in die Empfehlungen des folgenden Weißbuches aufgenommen wurde und
die konfliktreiche Situation weiter verschärfte. Vorgeschlagen wurde die Festlegung
einer „politischen Höchstgrenze“ für die jüdische Einwanderung aller Kategorien,
sodass sich in den darauffolgenden fünf Jahren jährlich nur 12.000 Jüdinnen und
Juden in Palästina niederlassen könnten. Den Erörterungen des „Peel-Berichts“
zufolge war nicht die Größe des jüdischen Bevölkerungsanteils die eigentliche
Schwierigkeit, vielmehr bestand sie im bloßen Vorhandensein des jüdischen Nati-
Shadow of the Holocaust. Zionist Politics and Rescue Aliya, 1933–1939, Boulder 1996, S. 130–151.
278 Segev, Palästina, S. 439.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918