Page - 122 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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Gelingen von vier Voraussetzungen abhängen würde: 1. die Zustimmung der öster-
reichischen bzw. deutschen Regierungsstellen zur Bildung und Schulung einer
Auswanderergruppe und zur Ausfuhr von in Österreich angeschafften Gütern und
Waren sowie einem Drittel der aufgebrachten Geldmittel; 2. die Genehmigung und
Unterstützung der Einwanderung und Ansiedlung von Seiten der Palästina-Regie-
rung; 3. die Verpachtung eines Landeskomplexes durch den „Keren Kajemeth“ (vor-
zugsweise in einem sumpf- und malariafreien Gebiet, das über Wasserquellen und
eine Straße verfügen würde); 4. die Zuweisung von 30 bis 40 gelernter Chaluzim, die
mit ihren Kenntnissen und Erfahrungen den Aufbau der Kolonie leiten würden. Die
Gemeinschaft würde aus bis zu 500 „gleichgesinnten, befreundeten“ Jüdinnen und
Juden, mehrheitlich im Alter von 14 bis 28 Jahren, bestehen, wobei jede und jeder
über gewisse Spezialfähigkeiten verfügen würde. Die Mittel für die Reise und die
Anschaffung von Ausrüstungsgegenständen sollten, sofern der Export genehmigt
würde, in Österreich angeschafft werden, für die Aufbaukosten und Erhaltungskos-
ten bis zur Erzielung eines Ertrages müsste ein Transfer von Geldmitteln und die
Unterstützung von Hilfsvereinen und jüdischen Institutionen in Palästina erwirkt
werden.328 Für die „Rassco“, die den Siedlungsinteressentinnen und -interessenten
in ihrem Antwortschreiben zwar eine prinzipielle Bereitschaft zur Vorbereitung
und Durchführung des Projektes bekundet, war offenbar trotzdem nicht klar, auf
welcher finanziellen Basis sie stehen würden. Grundsätzlich müsste die Gruppe so
aufgebaut werden, dass sie über einen Kern von Einwanderinnen und Einwanderern
mit „Kapitalisten“-Visa verfügen würde und dass bei allen Teilnehmenden eine
volle Arbeitsfähigkeit gegeben wäre. Der Hinweis, dass mit den Behörden zunächst
die Frage zu klären wäre, ob durch den Export bestimmter Warengattungen die
Finanzierung der Siedlung möglich wäre, zeigt auf, dass zu diesem Zeitpunkt (im
Juli 1938) noch damit spekuliert wurde, Transferprogramme auch in Österreich
umsetzen zu können.329
Die „Aktion Judenauswanderung aus der Steiermark“
Realisiert wurden diese Bestrebungen ausschließlich im Rahmen eines von der
Israelitischen Kultusgemeinde Graz ausgearbeiteten Sonderprojektes, das die kol-
lektive Auswanderung eines erheblichen Teils der Gemeindemitglieder nach Paläs-
tina vorsah und unter dem Titel „Aktion Judenauswanderung aus der Steiermark“
bekannt wurde.
Die Auswanderungsaktion, für die sich bisher 130 Familien bzw. 465 Personen
registriert hätten, bezeichnete Georg Landauer in seiner ersten Zuschrift an die
Grazer Gemeindeleitung als einen „schönen Plan“, der mit Freude unterstützt und
von der „Rassco“ die größte Aufmerksamkeit erhalten werden würde. Gleichzei-
tig machte er darauf aufmerksam, dass bei der Auswahl der Familien darauf zu
achten sei, dass nur wirklich für die landwirtschaftliche Arbeit geeignete Personen
328 CZA, S7/124, S. 122–124.
329 CZA, S7/124, S. 109 f.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918