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rung ihres Lebensunterhaltes zu ermöglichen. „Mit Rücksicht auf die komplizierte
Angelegenheit“ wurde die Entscheidung dem Reichswirtschaftsministerium in
Berlin überlassen, wo der zuständige Referent gemeinsam mit einem Vertreter der
Bank und der Devisenstelle Wien (wahrscheinlich Oberinspektor Löffler) zu einer
Lösung kommen sollte. Bei diesem Treffen, so der Hintergrund des Schreibens des
Provinzreferats, sollte Robert Prochnik341, der zu dieser Zeit für die Wiener IKG in
Berlin über Ausreisemöglichkeiten verhandelte, zugunsten der betroffenen Jüdin-
nen und Juden intervenieren.
„Da die verzweifelte Lage dieser Menschen verständlich ist, da sie ja ihr
ganzes Hab und Gut dieser Aktion anvertraut, ebenso darauf ihre Auswan-
derung aufgebaut haben und heute nicht einmal ihren Haushalt decken bzw.
ihre Miete bezahlen können, wenden wir uns dringendst an Sie mit der Bitte,
ohne jeden Verzug bei den zuständigen Referenten beim Reichswirtschafts-
ministerium mit dieser Information […] vorzusprechen und den Referenten
eingehend über alles zu informieren, damit bei den Verhandlungen dort eine
[…] klare und nicht einseitige Information erfliesen kann. Diese müsste bei
der heutigen Sachlage dahin gehen, dass die Auflösung der Aktion über-
haupt ausgesprochen und die Konti der einzelnen noch im Reiche lebenden
Mitglieder auf Sperrkonti gesondert überführt werden, während das Gutha-
ben der Auswanderer nach vorheriger Genehmigung der Devisenstelle im
Wege von Verhandlungen mit der Kultusgemeinde, letzterer unter gewissen
Voraussetzungen zur Verfügung gestellt werden.“342
Eine weitere Möglichkeit sah der Verfasser auch darin, die Auflösung der Aktion
direkt bei Eichmann zu erbitten, da dieser ja auch den Warentransfer genehmigt
hatte. Die in diesem Zusammenhang letzte Aufzeichnung liegt in Form eines
Aktenvermerks von Amtsdirektor Josef Löwenherz über eine Mitteilung von SS-
Obersturmführer Brunner vom 1. Juli 1941 vor: Die Bank Krentschker hätte von
Brunner den Auftrag erhalten, alle Vermögenswerte der im Inland befindlichen
„Rassco“-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer sofort auszufolgen und die noch nicht
liquidierten Vermögenswerte unter der Aufsicht der Kultusgemeinde aufzulösen,
sodass die Einsetzung etwaiger Kommissare nicht erforderlich sein würde. Die
bereits ausgewanderten Jüdinnen und Juden könnten „mit Rücksicht auf die der-
zeitige Situation“ nicht miteinbezogen werden. Ein abschließender Bericht wäre der
„Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ von der IKG vorzulegen.
Die Genehmigung des Reichswirtschaftsministeriums für die „Aktion Judenaus-
wanderung aus der Steiermark“ erfolgte zu einem Zeitpunkt, als das in Deutschland
gültige Haavara-Abkommen wegen der wachsenden Sorge vor dem Aufbau eines
jüdischen Staates in Palästina und aufgrund der Bestrebungen, die „Abwande-
rung“ des jüdischen Kapitals zu verhindern, bereits weitgehend eingeschränkt war.
Eichmann sprach seine Zustimmung aus, obwohl mit der „Zentralstelle für jüdi-
341 Zur Person Prochniks siehe Rabinovici, Instanzen, v.a. S. 380–386.
342 Provinzreferat Steiermark an Robert Prochnik, 10. 1. 1941. CAHJP, A/W 2521.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918