Page - 148 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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lungen stattgefunden und das Land hatte sich dem Boykott gegen deutsche Waren
angeschlossen
–, ging die HOA davon aus, dass die österreichischen Jüdinnen und
Juden gleich wie damals die deutschen eine größere Anzahl an Zertifikaten bekom-
men würden. Allein eine geringe Bevorzugung bei der Quote würde angesichts
der besonders harten und plötzlich einsetzenden Notsituation in Österreich nicht
genügen. Der österreichische „Alijahdrang“ wäre vergleichsweise vor allem deshalb
größer, weil die Jüdinnen und Juden Deutschlands „allmählich und in relativer
Ordnung sowohl nach Palästina als auch nach anderen Ländern, deren Tore damals
noch halbwegs offenstanden“, entkommen konnten. Die HOA verlangte deshalb die
Zuweisung von zwei Drittel der auf Gesamtdeutschland entfallenen Quote für die
österreichischen Einwanderinnen und Einwanderer, außerdem Zusatzzertifikate
und besonders viele Genehmigungen der „Kapitalisten“-Kategorie. In einem wei-
teren Brief an die „Deutsche Abteilung“ wurden die Forderungen folgendermaßen
spezifiziert: „[…] die Ermöglichung der Einwanderung von Familienangehörigen
von bereits in Erez Israel lebenden Juden österreichischer Herkunft; die Zuweisung
einer bedeutend höheren Zahl von Zertifikaten im Rahmen der Pionier-Alijah aus
Österreich; die Erweiterung des Rahmens der Jugend-Alijah und des Haavara-
Abkommens auf das gesamte erweiterte Gebiet des Deutschen Reiches“.417 Noch
deutlicher wurde ein von einem breiten Personenkomitee (darunter namhafte Per-
sonen wie Chaim Weizmann und Jitzhak Ben-Zwi und österreichische Zionistinnen
und Zionisten wie Oskar Grünbaum, Egon Zweig und Anitta Müller-Cohen) unter-
stützter Appell an den Yishuv formuliert, in dem die Bereitstellung der notwendigen
Mittel für die österreichische Alijah gefordert wurde:
„[…] Rasche und energische geldliche Hilfe ist erforderlich, um Tausen-
de jüdische Familien aus Höllenqualen zu retten, um TAUSENDEN VON
JÜDISCHEN JUGENDLICHEN [Hervorhebung im Original, Anm.], die
in der Hölle Österreichs verkommen, die Möglichkeit zu geben, nach Erez
Israel zu gehen und sich in unserer Heimat zu verwurzeln. Der Jischuw, der
im Jahre 1933 hingebungsvoll seine nationale Pflicht gegenüber den Juden
Deutschlands erfüllt hat, wird heute wieder aufgefordert, dem Hilferuf der
österreichischen Juden sich nicht zu versagen, ihnen Hilfe und Stütze in
ihrem Unglück zu sein […].“418
Um gesicherte Informationen über die Lage der von den Nationalsozialisten
bedrohten jüdischen Bevölkerung zu erhalten und das Ausmaß der bevorstehen-
den österreichischen Alijah abschätzen zu können, entsandte die Jewish Agency die
Funktionäre Georg Landauer und Leo Lauterbach nach Österreich. Beide kamen
zu dem Schluss, dass Hilfsaktionen und speziell die Auswanderung nach Palästina
erst nach der Wiedereröffnung des Palästina-Amtes gestartet werden sollten. Wie
Doron Niederland mit Nachdruck betont, leiteten die Jewish Agency und der „Waad
417 Zit. in: Niederland, Immigration, S. 344.
418 „An den Jischuw in Erez Israel!“ o. D. CZA, S7/721, S. 5.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918