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C a st e l l i. 485
zwey Tanten mct aller Zärtlichkeit Hlternstelle an ihm vertraten. Scho5
in seinem 10. Jahre begann C. für Dicht- und Schauspielkunst entschie-
denen Hang zu äußern, und er wusite sich nicht leicht ein größeres Ver-
gnügen, als die ziemlich reichhaltige Liedersammlung einer seiner Tanten
durchzustöbern. In seinem 12. Jahre sing er an, Verse zu machen, de-
ren einige erin derFolge, neu bearbeitet, in die Sammlung seiner Gedichte
aufnahm, vorzügliches Talent jedoch zeigte er für darstellende Kunst. Nur
um unentgeldlich das Theater besuchen zu können, nahm er Unterricht im
Violinspielen und spielte dann durch mehrere Jahre im Orchester des alten
Theatersauf derWieden.Bey der Annäherung der Franzosen 1797 trater
in das Corps der Studirenden, und erhielt darauf das Ehrenzeichen. Attmäh-
lig begann er nun auch Theaterstücke zu schreiben, doch gelang es ihm geraume
Zeit nicht, eines derselben zur Darstellung zu bringen. Auch bewarb er
sich, da ein Versuch, eine Advocatur zu erlangen, fehlgeschlagen hatte,
um irgend einePracticantenstelle in einem öffentlichen Amte. Nach einem
abermahligen vergeblichen Versuche, beym Feldkriegscommissariate und
sodann bey der k. k. Hofkammer im Münz- und Bergwesen eine Anstel-
lung zu erlangen, erhielt er 1301 eine Practicantenstelle in derlandständi-
schen Buchhaltung in W i e n, wo er sich bis zum Rechnungsrath emporbrach-
te. Gegenwärtig bekleidet C. beyden niederösterr. Landstanden eineSecre-
tärsstelle. Mittlerweile hatte er sich auch die französ. Sprache eigen gemacht
und übersetzte mit vielem Glücke mehrere Lustspiele und Opern. 130Z er-
schien von ihm auf dem Theater an derWiendas kleine Lustspiel: Todtund
Lebendig, nach dem Französischen, als sein schriftstellerisches Debüt, und
gefiel. Nun begann er mit doppeltem Fleiße literarisch zu wirken und
erwarb sich bald den noch heute unbestrittenen Ruf eines der gewandtesten
Übersetzer und Bearbeiter. 1309 hatte er viele patriotische Gedichte ver-
faßt und wurde deßhalb nebst.dem Hofrath von Col l in (demVerfasser
der Wehrmannslieder) in Folge des französ. Oewaltsystems, im Moniteur
förmlich proscribirt, mit dem Beysatze daß, wo beyde allenfalls gefunden
würden, sie einem Militärgerichte zu unterziehen seyen. C. langte da-
her bey Annäherung der Feinde um seineEnrfernung von Wien an; er
wurde als Transportcommissär nach Ungarn gesendet und kam erst nach
geschlossenem Frieden wieder zurück. Da er sich indessen mit seinen thea-
tralischen Arbeiten immer mehrBeyfall erworben hatte, so zog ihn 1311
Fürst Lobtowitz als Hoftheaterdichter an das Karnthnerthortheater,
von welcher Stelle er 1314 (in welchem Jahre Graf Pal f fy die Hof-
theater übernahm) abgetreten ist. Nebenbey schrieb er viele Gedichte und
Aufsätze für Zeitschriften und spielte auch anf Privatcheatern vortrefflich.
Oft machre er in zwey kleinen Stücken, in einem die Zuseher weinen
und im andern lachen, ja der allbeliebre Schauspieler Küstner hatte
sich in vielen seiner komischen Rollen ganz nach C. gebildet. Als die Ver-
bündeten 1315 zumzweyren Mahl Paris besetzten, wurde der ständische
Verordnete, Graf v. Cavr ian i , zum Oouvernementsrath bey dem
provisorischen Gouvernement in Frankreich ernannt und ihm C. als Secre-
tär beygegeben. 1317 erhielt cr vom Kaiser die mittlere goldenoVcrdienst-
medaille mit Ohr und Band zur'Auszeichnung und Belohnung; 1313
wurde er von der Gesollschaft der Musitftcunde des österr. Kaiserstaates
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe A-D, Volume 1
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe A-D
- Volume
- 1
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 788
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie