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Franz (Ios. Carl), Herzog von Reichstadt.
verließ Maria Louise mit ihrem Sohne Frankreich/ um sich nach
Osterreich zu begeben. Sie erhielt die Herzogthümer von Parma und
der Prinz hieß von nun an: Erbprinz von Parma, Pjacenza und Gua-
stalla. Seine Erziehung wurde fortan unter den Augen seiner Mutter
von Madame de Mo ntes q uiou im kaiserl. Lustschlosse Schö'nbrunn
fortgesetzt. Merkwürdig ist die Bemerkung des jungen Prinzen, als man
ihm einst den Besuch des Feldmarschalls de Ligne ankündigte. „Ein
Marschall ist dieser?" fragteer; „Ja," war die Antwort. —„Ist es ei-
ner von denen, die meinen Vater verlassen haben?"—Nach der Entfer,
nung Napoleon's von Elba verlangte derselbe Mar ia Louise und
den jungen Prinzen zurück, welche Forderung unbeantwortet blieb. Der
Angabe jedoch, daß zu dieser Zeit ein Complott Statt gefunden habe, um
den Prinzen zu entführen undnachParis zu bringen, wird von mehreren
glaubwürdigen Autoritäten auf das bestimmteste widersprochen. Wahrend der
Stürme, die bis zur Einschiffung Napoleon's nach St. Helena aufs
Neuein Frankreich wütheten, während, nach dessen zweyten Abdankung, die
erfolgloseAusrufung Napoleon'sII. so wie die endliche vollständige Re-
stauration der Familie Bourbon Statthatte, lebte der Prinz fortan
bey seiner Mutter in Schönbrunn. Auf den Vorschlag derselben wurde
die fernere Leitungseiner Erziehung dem geachteten Grafen Moriz von
Dietrich stein anvertraut und die Gräfinn von Montesquieu reiste
in ihr Vaterland zurück. — Auf die Reclamationen sowohl der ehemah-
ligen Königinn von Etrurien, welche ihr Erbrecht auf Parma:c. geltend
machte, so wie des spanischen Hofes, wurde ersterer nach Mar ia Loui-
sen s Tode die Erbfolge auf Parma, Piacenza und Guastalla zugesichert
und der bisherige Erbprinz von Parma durch Patent des Kaisers von Oster-
reich vom 22. Iuly 1818 mit den ehemahligen pfalzbayeri'schen Gütern in
Böhmen entschädigt, ihm ferner der Titel: Herzog von Reichstadt sammt
dem Prädicate Durchlaucht gegeben , und endlich bestimmt, daß sowohl
bey Hofe als im ganzen Reiche, der Prinz Franz Joseph Carl,
Herzog von Reich st adt seinen Rang unmittelbar nach den Prinzen
des kaiserl. Hauses und nach den Erzherzogen von Osterreich zu nehmen
habe. Da nun alle Hindernisse wegen Besitznahme von Parma gehoben
waren, begab sich Mar ia Louisein ihre neuen Staaten, der Prinz
blieb jedoch bey dem Kaiser, seinem Großvater, welchem er mit innigster
Liebe zugethan war. In den Zimmern des Kaisers hatte er sein eigenes
Plätzchen, und dort an Spielwerk, was seinem Alter ziemte; die Kai-
serinn theilte ebenfalls des Kaisers Sorgfalt und Liebe für den jungen
Prinzen, der überhaupt von allen Gliedern der kaiserl. Familie, beson-
ders aber von dem Erzherzog Franz Carl , der im Alter am wenigsten
von ihm abstand, geliebt wurde. Außer vielen Beweisen von Fassungs-
kraft und Einsicht,qab derHerzogvon R eichst adt schon im zartesten Alter
auch manche von Festigkeit, Klugheit und Muth. Zu gleicher Zeit, als
der junge Prinz dem Grafen Dietrich stein anvertraut wurde, erhielten
der rühmlich bekannte M a t t h ä u s von Co l l i n und der Hauptmann
Foresti Erzicherstellen bey demselben. Col l in lehrte ihm die Anfangs-
gründe der alten Sprachen und leitete seine classischen Studien, obschon die-
serGegenstand den Prinzen wenig anzog, desto eifriger richteten sich seine Ge-
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe E-H, Volume 2
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe E-H
- Volume
- 2
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 696
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie