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Harfe sein Reisegepäcks. Auf diese vertrauend setzte er, alS Bänkelsänger
sich durchbettelnd, den Weg nach Carlsbad fort. Der zahlreiche Adel
des In- und Auslandes schenkte dem tleinen Sänger und Harfenspieler
Gehör, Zuneigung und Geld. In 14 Tagen brachte er die bedeu-
tende Summe von 1,0l)0 Thalern zusammen. Er faßte nun den Ent-
schluß nach Italien zu gehen, und führte ihn muthig aus. Er langte in
Venedig an. Ein Pater Mar t in suchte mit Eifer G. zu bilden. Die-
ser wußte des Lehrers Verwendung zu schätzen, und zu verdienen. So
gut seine Anlagen waren, so eisern war auch sein Fleiß, so zwar, daß
er in einigen Jahren iüchtig "genug erkannt wurde, eine Organistenstelle
zu übernehmen, welche ihm die Bekanntschaft des liberalen Kunstschätzers/
des Grafen LeonardoV en eri, verschaffte; dieser beschloß, sein Mücen
zu werden. In kurzer Zeit hatte es G. so weit gebracht, daß ihn sein Leh-
rer unter die großen Tonsetzer zählte, und G.'s Portrait in seinem Museum
aufstellte, das für die Bildnisse der merkwürdigsten Tonsetzer bestimmt
war. Bald hatte man in den ansehnlichsten Kirchen Italiens seiye Werke
aufgeführt, in den Theatern zu Venedig, Rom und Neapel wur-
den seine Compositionen mit großem Beyfall aufgenommen, wel»
chm man in Italien nur Eingebornen zu zollen pflegte; und in den
ersten Palästen ergötzte man sich an der Production seiner Arbeiten.
Man buhlte um seine Tonstücke, wetteiferte um seine Gegenwart und über-
häufte ihn mit Ehrenbezeigungen. Feinde suchten ihm zwar zu schaden,
vermochten es jedoch mit aller Anstrengung nicht. Er wurde in Italien
nachgeahmt, sein Ruhm drang nun auch bis Wien; man fing an,
seinen Nahmen in seinem Vaterlande öfters zu nennen und er wurde
endlich von Venedig nach Wien verschrieben. G. trat seine Reise
und seinen Dienst 1763 an. Seine Bestimmung war, die Musik zu
den Balleten für beyde Hoftheater zu verfassen, aber sein Genie konnte
sich nicht auf Berufsarbeiten einschränken, er schrieb mehrere kömische
und tragische Opern. Er überraschte und rührte. Die Seelen der Zuhörer
wurden mit süßer Wehmuth erfüllt, er wußte die Phantasie zu erwe-
cken, und das Gemüth zu bezaubern. Festigkeit im Satze war mk Ge-
schmack und tiefem Gefühle verbunden; er gefiel allgemein. In seine Anet-
ten wußt« er so viel Wejchheit und Rundung zu bringen, daß Opern
von ihm auch nach2l)Iahren mitten unter Opern von den jüngsten Mei-
stern und nach dem modernsten Geschmack noch außerordentlich gefielen.
— Das schönste Lob und die offenbarste Anerkennung der Verdienst? G.'s
liegt wohl darin, daß Sa l ie r i , als er aus Italien nachWien kam,
bey G. die Composition lernte, und endlich, auch nach dem Tode seines
Lehrers, durch den freywilligen, unentgeldlichen mehr als lOjahngen
Unterricht in der Singkunst bey den beyden Töchtern desselben, Mar ia
Anna und Theresia (vermählte Rosenbaum, eiue in früheren
Jahren gepriesene Sängerinn) den Dank abtrug.— O. machte mit Kai-
ser Iosephdie Reise nach M äh risch - N eustad t, wo der Kaiser mit
Friedrich von Preußen zusammenkam. Bey dieser Gelegenheit schrieb
G.seine Oper: I^adontezsina, an welcher derKönig so großes Wohlge-
fallen hatte, daß er den Kaiser ersuchte, ihm den Mann zu überlassen,
der so ganz nach seinem Herzen schreibe. — Die Theater-Verwalmng
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe E-H, Volume 2
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe E-H
- Volume
- 2
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 696
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie