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214; Król 2011, 185) Erst viele Jahre später ermöglichte der BürgermeisterWar-
schaus und spätere Präsident Polens, Lech Kaczyński, dessen Eltern selbst Auf-
ständischegewesenwaren,dieEröffnungdesMuseums inmehrerenEtappenvon
2004bis 2006 imGebäudeeines stillgelegtenStraßenbahn-Elektrizitätswerks.
(Ukielski 2011, 213;Wiącek2012,411)GeleitetwirdesbisheutevonJanOłdakow-
ski,der2005 fürdiePiS insParlamentgewähltwurde. (Kurkowska-Budzan2006,
136) Somit diente dasMuseumals „‚bridge-head‘ for its founders–members of
PiS– for stepping intopublic offices.“ (Crowley 2011, 369)Die Eröffnungdieses
städtischfinanziertenMuseums(Heinemann2013,476)wareinEreignis,demdie
inländischenMedien–wiemeinVergleichmitderBerichterstattungüberalleun-
tersuchtenMuseenzeigt–beiweitemdiemeisteAufmerksamkeit schenkten: im
Vorfeld und danach bekam jeder noch so kleine Aspekt Eventcharakter und
wurde genauestensmedial ausgeleuchtet.12 In derwissenschaftlichen Litera-
turwirddieEröffnung jedochkaumbeachtet.13
KritikerInnenwiesenstattdessenwiederholtaufdiezentraleRolledesgroßen
Museums als Flaggschiff der PiS-Geschichtspolitik hin. Die Kaczyński-Zwillinge
haben– insbesonderewährendderPiS-Regierung2005bis 2007–dieErzählung
vomheldenhaftenWarschauer Aufstand als anti-kommunistischen Gründungs-
mythos der ‚Vierten Republik‘ installiert. Dieser konzentriert sich auf die hero-
ischen und martyrologischen Elemente polnischer Vergangenheit und blendet
die Auseinandersetzung mit deren negativen und umstrittenen Aspekten aus.
(Król 2011, 185;Waśkiewicz 2010, 55) Ebendiese BetonungdesHeldentumsder
AufständischenunddesVerrats durchdie Sowjets führte zu der kritischenEin-
schätzung,uninformierteBesucherInnenkönntendenEindruckgewinnen,nicht
die NS-Besatzungsmacht, sondern die Sowjets seien die Hauptfeinde des Auf-
stands gewesen, unddieser sei erfolgreich gewesen, nicht blutig niedergeschla-
genworden. (Majewski2011,156;Radziłowski2009,151)
Positivewienegative EinschätzungendesMuseums sehen jedenfalls beide
einemoderne, interaktive,multimedialeAusstellung,die fürdiepolnischeMu-
seumslandschaftunhintergehbareStandardsgesetzthätte. (Borodziej 2011, 145;
Niżyńska 2010, 472) Kritik erfährt der „Raumder kleinen Aufständischen“, in
dem Kinder mit Helmen ausgerüstet Barrikaden bauen (Wiedmann 2011, 12),
12 SoetwadieFertigstellungeinesPanzerreplikats, dasAnbringeneinerGlocke imAußenbe-
reich (Rzeczpospolita, 26.7.2004),dieLichtprobevorderEröffnung (Rzeczpospolita, 30.7.2004)
oder die Tatsache, dass der ‚Kanal‘, eine besondereMuseumsattraktion, nochnicht fertig sei
(Rzeczpospolita, 21.9.2004).
13 EineAusnahmestellenŻychlińskaundFontana(2016)dar.
10 1 Einleitung
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918