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zumAnlass, neue gemeinsameBezüge jenseits desNationalstaats herzustellen.
(Levy und Sznaider 2001, 14) „Die neuen Erinnerungen gelten denOpfern und
nicht den Tätern oder Helden. Damit ist der Holocaust zu einem universalen
‚Container‘ für Erinnerungen an unterschiedliche Opfer geworden.“ (Levy und
Sznaider2001,223)27
2002diagnostizierte auchder amerikanischeSoziologe JeffreyC.Alexander,
dassderHolocaustzueinemuniversalisiertenSymbolgewordensei.Dochdiese
,Universalisierung‘ habe zwei sehr verschiedene Gesichter. Einerseits lässt sich
mitAlexander (2002,6) festhalten:„theoriginatinghistorical event, traumatic in
theextreme foradelimitedparticulargroup,hascomeover the last fiftyyears to
be redefinedas a traumatic event for all of humankind“. Er bezieht sichdabei
unter anderem auf Dan Diners (1988) Begriff „Zivilisationsbruch Auschwitz“.
Zugleich hält Alexander (2002, 51) aber auch die andere Bedeutung der ‚Uni-
versalisierung‘ fest:
Evoking theHolocaust tomeasure theevil of anon-Holocaust event isnothingmore,and
nothing less, than to employ a powerful bridgingmetaphor tomake sense of social life.
The effort to qualify as the referent of thismetaphor is bound to entail sharp social con-
flict, and in this sense social relativization, for successful metaphorical embodiment
brings toaparty legitimacyandresources.
Universalisierungkannalsosowohlheißen,denHolocaustals ‚Zivilisationsbruch‘
anzuerkennen,alsauch,dassverschiedeneOpfergruppenexplizitoderimplizitbe-
tonen, siehätten ‚wiedie Juden‘ (Eder 2017, 18;Rothberg2009;Miller 2010;Mac-
Donald2002)gelitten.WährendderBegriff ‚KosmopolitisierungdesHolocaust‘die
positiveBewertungdieser Entwicklung enthält, ist ‚Universalisierung‘ (Eckel und
Moisel 2008; A. Assmann 2010, 99; Leggewie und Lang 2011, 24) der neutralere
Begriff,mitdemsichdasPhänomeninseinenverschiedenenAusprägungenerfas-
senlässt,ohnedieEntwicklungnormativaufzuladen.
Auch Levy und Sznaider bessern gewissermaßen imVorwort zur Neuauf-
lage ihres Buches fünf Jahre später ihre zunächst ungebrochen positive Ein-
schätzungnach,wennsienunkritischerschreiben:
DieErinnerungandenHolocaustwirdzueiner europäischenErinnerung,dieEuropadazu
verhelfen kann, ein eigenes (wennauchnegatives)Wertesystemzuentwickeln. Der Preis,
derdafürgezahltwird, istdieEntkontextualisierungderGeschichte.Wennausehemaligen
FeindennunFreundewerden,mussderaltehistorischeKontextverdrängtwerden.
(LevyundSznaider2007,11)
27 Zur Doppelbedeutung des deutschenWortes ‚Opfer‘ als ‚sacrificium‘ und ‚victima‘ siehe
Assmann2006,73.
24 2 TheoretischeEinbettung
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918