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kommunistische Regime“ (Sniegon 2017, 172) angeprangert. Offiziell wurde das
damitbegründet,dassmanreligiöseThemenvermeidenmüsste,umkeine rassis-
tischmotiviertenVergeltungsmaßnahmenhervorzurufen. (Sniegon2017) ImGuide
aus1977 istdannnureineinzigesMalvagevon„rassischerVerfolgung“ (Múzeum
SNP1977, 19) ohneNennungder jüdischenundRoma-OpferdieRede, „vorallem
KommunistenundandereVerfolgte“ (MúzeumSNP1977, 21)hättennachderNie-
derschlagungdesAufstands indieWälder fliehenmüssen. IndenMassengräbern
seien „slowakischeOpfer“ (MúzeumSNP 1977, 53) gefundenworden. Auch in
BezugaufNemeckáundKremničkawirdunterschlagen,dassdieMehrzahlder
Opferdort JüdinnenundJuden,RomnijaundRomawaren.1985istdanneinmal
von der „Lösung der Judenfrage durch Arisierung und Todeslager“ (Múzeum
SNP 1985, 16) die Rede. „Zigeuner-Einwohner“ (MúzeumSNP 1990, 4)werden
als„rassischVerfolgte“überhaupterst 1990ineinerArtvorsichtigemÜbergangs-
guideerwähnt,aufdenspätereingegangenwird.
4.1.2 DieKZ-Gedenkstätte Jasenovac inKroatien
ImGegensatz zumslowakischenFall hattendie jugoslawischenPartisanInnen Ju-
goslawien tatsächlichweitgehendselbst befreit. Sie standen jedochnach1945vor
der Herausforderung, nach einemBürgerkrieg zwischen den kroatischenUstaša,
den serbisch-monarchistischenČetnici und den Tito-PartisanInnen die Existenz
desVielvölkerstaates legitimieren zumüssen. Einebesondere Schwierigkeitwar
die Frage, wie mit der Tatsache umgegangen werden sollte, dass die Ustaša
selbständig Todeslager betrieben hatten und nur dieMinderheit der Opfer in
NS-Lagerdeportiertwurde.41 ImgrößtenTodeslager, Jasenovacanderkroatisch-
bosnischenGrenze,wurden knapp 100.000Menschen ermordet, dieHälfte Ser-
bInnen und Serben. Über 16.000 Roma-Opfer und über 13.000 Jüdinnen und
Judenwurdenbishernamentlich identifiziert.
Bereits im Sommer 1941 errichteten die Ustaša die ersten Lager (I und II)
des KZ-Komplexes Jasenovac andenUfern der Save, die jedochwegen ständi-
ger Überschwemmungen bald aufgelassen wurden. Die Häftlinge wurden im
November 1941 in dasHauptlager Jasenovac III auf demGelände einer Ziegel-
brennerei übersiedelt. Jasenovac IVwar eineLederfabrik imOrt Jasenovacund
im 40Kilometer entfernten Stara Gradiška wurden vor allem politische Häft-
linge,FrauenundKinder inhaftiert (JasenovacV).DerLagerkomplexwareiner-
41 Die Rumänen betrieben auch Lager, jedoch im annektierten Transnistrien, nicht wie im
FallvonJasenovac100KilometervonderHauptstadtentfernt.
56 4 DerZweiteWeltkrieg imMuseum
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918