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einengrößeren ideologischenbzw.historischenKontext. 1963dominiertedie so-
zialistische Ideologienochstärker als in Jasenovac:Derwestliche Imperialismus
insbesondere der USA sei schuld amZweitenWeltkrieg gewesenund auchden
„deutschenMonopolisten […] ging es imGrunde umdie Liquidierung derHan-
delskonkurrenz“. (Kulišova 1963, 69) Schließlich wurden der US-Imperialismus
undWestdeutschlandmitNS-Deutschlandgleichgesetzt. (Kulišova 1963, 8)Außer
inderEinleitung fandsichdieserantiimperialistische JargondesKaltenKriegsvor
allem im Schlussabschnitt über das Ghetto, in dem nicht nur die USA, sondern
auchIsraelmitdemnationalsozialistischenStaatgleichgesetztwurden:
MillionenJudenwurdenvordervölligenAusrottungbewahrt.Es istdahereinVerbrechen
am jüdischen Volk, wenn sich der heutige jüdische bürgerliche Nationalismusmit den
Imperialisten verbündet. Die Rassenfrage ist keineNazispezialität, es ist eine alteWaffe
der imperialistischenBourgeoisie.Der rassistischeAberglaube spielt indenheutigen im-
perialistischenHetzkampagneneinenichtminderwichtigeRollealsvor JahrenbeiHitler.
(Kulišova1963,69)
Hierbeihätte sichdie„tschechischeBourgeoisie“,„umhöhereGewinnezuerzielen
und imBestreben, andenErgebnissender imperialistischenPolitikNazi-Deutsch-
landsmitzuverdienen“ (Kulišova1963,6),mitschuldiggemacht.TschechischeGen-
darmenalsWachenwurdennicht erwähnt.UnterdendeutschenTäternwurden
auchAufseher genannt, die denHäftlingengeholfenhätten. (Krylová 1972b, 18)
1972 rückten dann „Kommunisten, die derWiderstandsbewegung angehörten“
(Krylová 1972a, 3) –wie erwartet – in den Vordergrund, eine Gleichsetzung der
USA,Deutschlandsoder IsraelsmitdemNationalsozialismus findet sichhiernicht
mehr.
4.1.4 VisuellesMaterial imWandel: Individualisierungvs.nationalistische
Mobilisierung
Die Darstellung der Rolle von Frauen im ZweitenWeltkrieg (Radonić 2018a), ein
Thema, dasmich seitmeinerDiplomarbeit begleitet (Radonić 2004), gehört zwar
nicht zu den Kernfragen dieser Untersuchung, entpuppte sich bei den sozialisti-
schenGuides jedochalsein interessanterPunkt.Während füralledreihieranaly-
siertensozialistischenMuseen inden1960er JahreneinsignifikanterWandeletwa
imUmgangmitdem,waswirheutealsHolocaustundPorajmosoderGenozidan
RomaundSintibezeichnen, festgestelltwurde, lässtsichdies inBezugaufdieDar-
stellung vonFrauennicht sagen. DieAusstellungenbzw.Museumspublikationen
ausdenliberaleren1960ernunterscheidensichdiesbezüglichnichtvonrepressive-
renPhasendavoroderdanach. In liberalenwie repressivenZeitenwerden inThe-
68 4 DerZweiteWeltkrieg imMuseum
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918