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die sich indenWäldernversteckendenPartisanInnenandie italienischenBe-
satzer verratenwürden. Zu Kriegsbeginn hätten der Kommission zufolge 300
bis 400Romnja undRoma in Slowenien gelebt, Podbersič schreibt hingegen
in einer der wenigenArbeiten über diese „revolutionäre Gewalt“, dass 1.000
RomnjaundRoma inderBanschaft rundumdenFlussDrauund inGorenjsko
rund100SintizeundSintigelebthätten.Beidestimmenallerdingsdarinüber-
ein, dassdiePartisanInnen 150von ihnengetötet haben.Podbersič (2014, 78)
nennt jedochandereGründeundzwarweniger reißerischealsdie ,präventive
Vernichtung‘derKommission: traditionellesMisstrauengegenüberRomaund
dendurch die nomadische Lebensweise befördertenVerdacht, Romawürden
fürdie italienischenBesatzer spionieren. IneinemFallwurdenEndeMai 1942
die Roma-Angeklagten von einemPartisanengericht bei der Ortschaft Sodra-
žica genau dessen für schuldig befunden und in der Folge hingerichtet. Der
Forschungsstand ist hingegen unzureichend, wenn es umdie Frage der Ver-
folgung vonRomnjaundRoma seitens der italienischenundderNS-Besatzer
geht. DieKommission spricht von 100vonden Italienern ermordetenRomnja
undRoma,Podbersič (2014, 78)zufolgehättendie Italiener siehingegennicht
verfolgt.DasZeitgeschichte-Institut inLjubljanagibtan,esseien186ermordet
worden,davon90vondenNationalsozialisten.
Man kann im slowenischen Fall also von einem small scaleHolocaust ei-
nerseits sowie andererseits von einer ebenso geringen Zahl an Roma-Opfern
sprechen–wobei vor allemdieErmordungvonRomnjaundRomadurchPar-
tisanInnenhervorsticht, einweitestgehendunbekannterUmstand. ZuKriegs-
endewurden fernermindestens 10.000Angehörige derHeimwehren vonden
PartisanInnen am Kočevski rog, im Pohorje-Gebirge, in der Zasavje-Region
undanderenorts inSlowenienermordet. (Luthar2008,433–439)
Die jugoslawischeGeschichtspolitik von 1945bis 1989wurde imvorangegan-
genenKapitel bereits erörtert: dieDebattenüber den ZweitenWeltkriegwaren in
dieser Zeit vor allemvomkroatisch-serbischenDeutungskonflikt geprägt. Die slo-
wenische Geschichtspolitik nach 1989weist hingegen eine Besonderheit auf: die
reformierten KommunistInnen, welche mit Milan Kučan und Janez Drnovšek in
den 1990er Jahren das politische Geschehen dominierten (Bebler 2002, 131–134),
haben zwar in Bezug auf die Aufarbeitung der von den PartisanInnen verübten
Massenmorde 1945wenig unternommen. Jedochmuss zugleich im slowenischen
Fall inBezugaufdieDebatteumLustration,alsodieEntfernungpolitischBelaste-
ter aus politischenÄmternundAufarbeitung der sozialistischenÄra festgehalten
werden,dassesstärkerals indenanderenjugoslawischenRepublikendiesloweni-
schen Eliten innerhalb der Sozialistischen Republik Slowenien selbstwaren, die
die Demokratisierung betrieben–diesemusste also nicht gegen sie durchgesetzt
werden.Kralj (2014, 73) argumentiert daher, dass es falsch sei, pauschal etwadie
4.2 1990–1999:DieWendeunddieMuseen 81
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918