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Woolfs (1882â1941)A Sketch of the Past (1939) wesentlich zu seiner Durchset-
zungbeigetragen.64
WĂ€hrend âLifeWritingâhiernichtverwendetwird,stehen âLebensdarstellungâ,
âLebensbeschreibungâ oder âLebensschilderungâ als Synonyme fĂŒr âBiographieâ.
DieBegriffe âLebensgeschichteâund âLebenserzĂ€hlungâ vermittelndieVorstellung
von linearen, sogar kausal-logischenAblÀufenoder kontinuierlichenEntwicklun-
gen eines Lebens und werden daher vermieden. Die vorliegende Untersuchung
verzichtet ebenso auf den soziologischen Terminus âLebens(ver)laufâ. Dieser ist
insofern irrefĂŒhrend,alserEntwicklungensuggeriertundaufRudimentedesDrei-
stufenmodells idealtypischer bĂŒrgerlicher LebenslĂ€ufe zurĂŒckgreift, nĂ€mlichAus-
bildung, eine langePhase des Erwerbslebensunddie abschlieĂendeRuhephase.
WÀhrend spÀtestens diemoderne ErzÀhlliteratur dieses teleologischeModell ver-
abschieden konnte, tragen konventionelle Biographien oft noch das Etikett âEnt-
wicklungâ, eineVorstellungvonfortschreitenderundzielgerichteterZeitlichkeit.65
Der âLebenslaufâ hat Anfang und Ende sowie dazwischen liegende, an-
handdesAlters bestimmbareundkulturell festgelegtePhasen, alsoKindheit,
Jugend, Erwachsenenalter. Avancierte Biographien gehenĂŒber diese Struktu-
rierung hinaus und beziehen etwa auch die Vorgeschichte, das Nachleben
oder die Perspektive des Biographenmit ein, um ĂŒbergeordnete Zusammen-
hÀnge abzubilden. Diese Biographien richten (im wissenschaftlichen Ideal-
fall) ihren Blick auf gesellschaftliche wie literarische Konstruktionen und
reflektieren strukturelle ProzesseundMechanismen, die zu einer bestimmten
Vorstellung von Leben und einermöglichen biographischen Version fĂŒhren.
WĂ€hrendâLebenslaufâalsodiezeitlichmessbareâEvidenzâdarstellt, verweist
die Biographie auch auf die âKonstruktionâ von LebenslĂ€ufen, so Bernhard
Fetz: âDiebeidenSeiten zusammenzudenken, trifft denheiĂenKern jeglicher
TheoriederBiographie.â66
Die vorliegende Studie verwendet âLebenslaufâ entsprechend den AusfĂŒh-
rungen Pierre Bourdieus. Der Soziologe meint damit die nicht zielgerichteten
undnicht linear verlaufenden, individuellenMöglichkeiten fĂŒr Positionenwech-
sel von Akteuren innerhalb der Felder im sozialen Raum.67 Dieser Blickwinkel
betrachtet Lebennicht als chronologischenAblauf, sonderndieAkteure jenach
ihrerPositionindersozialenWelt.
64 Vgl. Zachary Leader: Introduction. In: On Life-Writing. Hg. von Zachary Leader. Oxford
2015, S. 1â6, hier S. 1. AuĂerdemManfredMittermayer: Die Autobiographie im Kontext der
âLife-Writingâ-Genres. In:DieBiographieâZurGrundlegung ihrerTheorie,S.69â101.
65 Vgl.Fetz:DievielenLebenderBiographie,S. 18.
66 Fetz:DievielenLebenderBiographie,S. 51â53
67 Vgl.Bourdieu:Die feinenUnterschiede,S. 188â189.
16 Einleitung:WiderspruchsgeisteinesBeamtendichters
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik