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FĂŒrdieBiographiestellt sich indiesemKontextdieFrage,wiedasLebenund
Wirken von Personenwissenschaftlich behandelt und ihre (historische) PrÀ-
senz in faktographischeNarrative eingebettetwerdenkann,wenndoch jedes
Subjekt zugleich auch der Kreuzungspunkt unterschiedlicher, oft ambivalen-
ter soziokultureller EinflĂŒsse undDiskurse ist. DerHistoriker Jacques LeGoff
gehört zu denForschern, die einenmethodisch gewinnbringendenAusgleich
zwischen Strukturgeschichte und historischer Biographie proklamieren. FĂŒr
die Darstellung sozialer ZusammenhĂ€nge könne auf ErzĂ€hlungen zurĂŒckgegrif-
fenwerden, so Le Goff, wodurch die Biographie eine âphĂ€nomenaleWiederge-
burtâ erfahren habe.78 Als ârevival of narrationâ bezeichnete Lawrence Stone
bereits 1979 die Entwicklung von einer System- zur Subjektperspektive,79 und
zwei Jahre vor Carlo Ginzburgsmikrogeschichtlicher ErzÀhlungDer KÀse und die
WĂŒrmer (1976)80 hatte der Historiker HaydenWhite eine Untersuchung zuMeta-
historyveröffentlicht,dieGeschichtswissenschaftalsLiteraturtheoriebetrachtet.81
DervermeintlicheToddesAutorsundseineWiederkehr,mitdemneue Im-
pulse fĂŒr Historiographie, Biographik und ErzĂ€hltheorie einhergegangen sind,
bezeichnet keine zeitlicheAbfolge. Es handelt sich dabei eher umparallel ab-
laufendeEntwicklungenmitunterschiedlichenZyklen.82GeradeauchmitBlick
aufMichelFoucaultundRolandBarthes,dieoft zitiertenGewÀhrsleutedesAu-
torsterbens, ist von einem Fortleben unter verÀnderten theoretischen Vorzei-
chendieRede.83
Parallel zur Subjekt-Depotenzierung und konstruktivistischen Diskurs-
Zentrierung entwickelte sich im biographisch-literarischen Umfeld eine âNeue
SubjektivitĂ€tâ, die den Schreibprozess als Selbsterfahrung in den Mittelpunkt
78 JacquesLeGoff:Wie schreibtmaneineBiographie? In: FernandBraudelu.a.:DerHistori-
ker als Menschenfresser. Ăber den Beruf des Geschichtsschreibers. Berlin 1990, S. 103â112,
hierS. 103.
79 LawrenceStone:TheRevivalofNarrative:ReflectionsonaNewOldHistory. In:Past&Pre-
sent,Nr.85 (1979),S. 3â24.
80 Vgl.CarloGinzburg: Il formaggioe ivermi. Il cosmodiunmugnaiodel â500.Turin1976.
81 Vgl.HaydenWhite:Metahistory:TheHistorical Imagination inNineteenth-CenturyEurope.
Baltimore/London1974.
82 Vgl.Fotis Jannidisu.a. (Hg.):RĂŒckkehrdesAutors.ZurErneuerungeinesumstrittenenBe-
griffs. Berlin 2008 [1999]; auĂerdemAnsgarNĂŒnning:Vonder fiktionalenBiographie zur bio-
graphischenMetafiktion. Prolegomena zu einer Theorie, Typologie und Funktionsgeschichte
eineshybridenGenres. In: FaktenundFiktionen.Hg. vonChristian vonZimmermann. TĂŒbin-
gen2000,S. 15â36,besondersS. 15â16.
83 Vgl. vor allemBarthes: Sade, Fourier, Loyola; und Barthes: Die Lust amText [1973]. Aus
demFranz.vonTraugottKönig.FrankfurtamMain1974.
20 Einleitung:WiderspruchsgeisteinesBeamtendichters
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik