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Kontaktes sowieaufkünstlerischeund literaturbetrieblicheDiskurse.DieKorres-
pondenzensindvon Interesse,dasich in ihnen InformalitätundFormalität (Pri-
vatsphäre und öffentliches Agieren) überschneiden. Selbstverständlich ist die
Analyse narrativenMustern unterworfen und besteht gerade nicht aus unkom-
mentiertenNetzwerkgraphiken.So lohnenswert solchequantitativenAnsätze für
dieBiographietheorieauchwären, einenachvollziehbareZusammenführungbe-
ziehungsweiseeinschlüssigesNarrativ ist fürdieVerständlichkeitwichtig.
EinweitererKritikpunkt anderNetzwerkforschung ist dieAussparungkogni-
tiv-emotionaler Bedingungen, die das Handeln der Akteure mitbestimmen und
den strukturellenRahmenbedingungen zur Seite gestellt werdenmüssten.148 Das
ist fürSchaukalsUmgangmitdenAkteurenausseinenNetzwerkeneinentscheid-
ender Punkt. Seine literarischen Verbindungen waren vielversprechend, doch
ergab sich aus der Struktur nicht zwangsläufig eine günstigeKapitallage. Ander
BeschaffenheitderNetzwerkelässtsicheinErfolg indenFelderndersozialenWelt
nichtablesen.SchaukalsKognitionenhabenvermutlichdazubeigetragen,dasser
bestimmteKarriereziele verfehlte. Nicht oder unzureichend funktionierendeNetz-
werkverbindungen könnten auf kommunikatives Fehlverhaltenundauf einen zu
starkenFokusaufEigeninteressenzurückzuführensein.
EineweitereSchwierigkeit liegt inderdiachronenAbbildungvonNetzwerken
und ihrenAkteuren.DiePersonen,mit denenSchaukalüberdie Jahre inKontakt
stand,unddieStruktur ihrerVerbindungenvariiertensehrstark.DieseProzesse in
geeigneter Formnachzuzeichnen, gehört zu den größtenHerausforderungen der
Netzwerkanalyse, daNetzwerkeMomentaufnahmendarstellen.WeilNetzwerkun-
tersuchungennur einenbegrenztenZeitraum indenBlicknehmen (können), zei-
gen sie auch nur einen synchronenAusschnitt. Die diachrone Komplexität wäre
kaumdarstellbar.DasumfassendeNetzwerkprojektzumKünstlerkreisHagenbund
positioniert zum Beispiel in einer Netzwerkgraphik die zentralen Akteure, die
SchauplätzederAusstellungenunddieVerbindungenuntereinander. Zeitlichdy-
namische Abfolgen oder ästhetische Entwicklungenwerden auch darin nicht vi-
sualisiert.SieweichenderGesamtdarstellungderNetzwerkeaufeinenBlick.149
Nichtzuletzt stellt sichdieFrage,obüberhauptvonSchaukal-Netzwerken
dieRede seinkann.Handelt es sichbei denVerbindungennicht lediglichum
„sogenannte kognitive, subjektiv wahrgenommene oder ‚eingebildete‘ Netz-
148 Vgl.Schweizer:Muster sozialerOrdnung,S. 126.
149 Vgl. die Netzwerkgraphik des Projekts „Hagenbund. Ein europäischesNetzwerk derMo-
derne (1900 bis 1938)“: http://tools.fas.at/hagenbund/exhibition.html (zuletzt aufgerufen am
31. Juli 2019).
40 Einleitung:WiderspruchsgeisteinesBeamtendichters
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik