Page - 54 - in Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
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durch andere beeinflussenund lenken sollen.â6Dermediale Einfluss ist nach-
haltigwirksam,wiedieFotografieSchaukalszeigt.
In ihrem Beitrag ĂŒber âDie Postkartenalben von Richard und Fanny
SchaukalâbeschreibtauchEvaTropper,wieRichardSchaukalaufeiner 1903an-
gefertigtenPortraitaufnahmedie âPose einesMannes [einnimmt], dessengesell-
schaftlicher Status unbestritten ist.â Der âjunge Durchstarterâ sei mit seiner
HaltungvorderKameraâfĂŒreineöffentlicheRezeptionprĂ€destiniert.â7Sowollte
Schaukal von seinen Zeitgenossenwahrgenommenwerden, die BiographiewĂŒr-
digkeitentspringtderMaterialitÀtundPose.
Mit Blick auf die biographisch-narrative Strategie, die von solchen Bildern
ausgeht, kannHelge Gerndts Frage âKönnen Bilder erzĂ€hlen?â bejaht werden.
Im Ineinandergreifen von âĂ€uĂeremâ und âinneremâ Bild, das auch in Schau-
kalsPortrait gegeben ist, siehtGerndt eine âerkenntnistheoretischeChanceâ. Er
spricht von drei analytisch voneinander zu trennenden âGrundaspekten des
âBild-Seinsââ, vonMaterialitĂ€t, VisualitĂ€t und VisionaliĂ€t.8 Die MaterialitĂ€t des
TrÀgermediums, also der plastischeGegenstand (hier die Silbergelatine-Platte),
und die VisualitĂ€t des Bildes (Schaukal im Portrait) fĂŒhren zum imaginierten
Narrativ (VisionalitÀt). Die technische Erzeugung des Bildes und die selbstbe-
wusste Pose des abgebildeten Subjekts befördern also eine BiographiewĂŒrdig-
keit,die sichalsBilderzÀhlung imBewusstseindesBetrachtersvisional festsetzt
undSchaukalsgesellschaftlicheundauchliterarischeZugehörigkeitvermittelt.
MitBezugaufSartresâprogressiv-regressiveMethodeâ lassensichdiePost-
kartenfotografien zudemals âObjektivationderPersonâSchaukal bezeichnen.9
Wiedie literarischenWerkesindauchsieTeil einesSelbstentwurfs,derdrei In-
terpretationsrĂ€ume öffnet: Erstens lassen sich Aussagen ĂŒber die Inszenie-
rungsstrategien Schaukals treffen, zweitens werfen sie ein Licht auf die zum
Teil auch unbewussten ReprÀsentationsmuster, die den Stand und Habitus
einer bĂŒrgerlichenFamilie offenlegen (laut Sartre der regressiveAnteil derMe-
thode) und dieâdas ist der dritte interpretatorische SchlĂŒsselâ Erkenntnisse
6 TimLörke: BĂŒrgerlicherAvantgardismus. ThomasMannsmediale Selbstinszenierung im li-
terarischenFeld. In: ThomasMann Jahrbuch,Bd. 23 (2010). Frankfurt amMain, S. 61â76,hier
S.61.
7 EvaTropper:MischungderSphÀren.DiePostkartenalbenvonRichardundFannySchaukal.
In: Format Postkarte. Illustrierte Korrespondenzen 1900 bis 1936. Hg. von Eva Tropper und
TimmStarl.Wien2014,S. 73â87,hierS.73â74.
8 HelgeGerndt: KönnenBilder erzĂ€hlen? Bemerkungen zur âVisualisierung desNarrativenâ.
In: Lebenâ ErzĂ€hlen. BeitrĂ€ge zur ErzĂ€hl- und Biographieforschung. Festschrift fĂŒr Albrecht
Lehmann. Hg. von Thomas Hengartner und Brigitta Schmidt-Lauber. Berlin/Hamburg 2005,
S.99â117,hierS. 102.
9 Sartre:Dieprogressiv-regressiveMethode,S. 239.
54 I PoseundSubjektivierung imLebenRichardSchaukals
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik