Page - 55 - in Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
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ĂŒber eine Epoche und ihre technologische und gesellschaftliche Dynamik lie-
fern (derprogressiveAnteil).
Die zahlreichen Portraitaufnahmen, die in Schaukals Familie rasch zirku-
lierten, lassensichalsbiographischerAusdruckmit intendierterAuĂenwirkung
deuten.DieFotoalben sindeineSyntheseausKunstundLeben,denn familiÀr-
private undberuflicheBildkorrespondenzenwurden vonder Familie Schaukal
nicht getrennt, sondern ohne Ordnungsprinzip nebeneinander eingeklebt. Als
âMischung der SphĂ€renâ ist die âspezielle, mĂ€andernde und fragmentarische
StrukturâderPostkartenfotografienzuverstehen,diesomitdemautobiographi-
schenGenreentsprechen.10
Die Aufnahmenmanifestieren ein privates âFamiliengedĂ€chtnisâ,11 sind aber
nicht allein Ausdruck einer emotionalen Bindung und Anteilnahme unter Fami-
lienmitgliedern, sondern auch Signale an Schaukals Dichterkollegen und an die
lesendeĂffentlichkeit. Er erhieltundversandte zahlreichePortraitaufnahmen,um
denKontakt zuArthurSchnitzler, ThomasMannundvielenweiterenherzustellen
undsichmit ihnenzuvernetzen.DerBildertauschwareineverbreiteteGepflogen-
heitunterKĂŒnstlerinnenundKĂŒnstlernundtrugzur InszenierungvonSelbst-und
AutorschaftsentwĂŒrfen bei. Als HermannHesse (1877â1962) und Schaukal sich
ĂŒberdenWertvonErfolgaustauschten,sinniertederĂ€ltereDichter:â[I]chbrauch
nicht die cent lecteurs des Stendhal, ich brauch nur meine wenigen Freunde;
könnte ichmeineBĂŒchernur Ihnenunddiesemgeben, jedeskostbaraufdemteu-
ren Papier gedruckt und wundervoll gebunden, mit meinem Bild âgeschmĂŒcktâ
[...].â12 Darin kommt Schaukals Pose des unabhĂ€ngigen, nicht uneitlen Dichters
deutlichzumAusdruck,derdasBuchalskostbarenGegenstandwertet.
Auchder Kritiker Karl Credner (1875â1943) bat Schaukal umeine Fotogra-
fie,mit der er dieWirkung seinesAufsatzes ĂŒber âModernedeutsche Lyrikâ in
der âpolyglotten Monatsschrift Cosmosâ verstĂ€rken wollte. Der hohe Stellen-
wert vonAbbildungen in Zeitschriftenwird durch die Tatsache deutlich, dass
Credner zwischendemVerleger vonCosmosundSchaukalsWiener Fotografen
vermittelte,weil dieQualitÀtder zunÀchst eingesandtenBilder zugeringwar.13
AuchMarievonEbner-EschenbachreagierteaufdenwachsendenWunschihrer
Leser, sich ein biographisches Bild vonder verehrtenAutorinmachen zu kön-
nen.Dieneuen technischenMöglichkeitenveranlasstenebenfallsDichterinnen
10 Tropper:MischungderSphÀren,S.80.
11 Tropper:MischungderSphĂ€ren,S.76â77.
12 BriefSchaukalsanHesse, 14.Oktober 1904,NachlassHermannHesse,LiteraturarchivMar-
bach(imFolgendenzit.alsH-NL,LAM).
13 BriefeKarlCrednersanSchaukal, 12.Mai 1905,27. Juni 1905und7.August 1905,S-NL,WB.
1 FotografiealsBiographie 55
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik