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über eine Epoche und ihre technologische und gesellschaftliche Dynamik lie-
fern (derprogressiveAnteil).
Die zahlreichen Portraitaufnahmen, die in Schaukals Familie rasch zirku-
lierten, lassensichalsbiographischerAusdruckmit intendierterAußenwirkung
deuten.DieFotoalben sindeineSyntheseausKunstundLeben,denn familiär-
private undberuflicheBildkorrespondenzenwurden vonder Familie Schaukal
nicht getrennt, sondern ohne Ordnungsprinzip nebeneinander eingeklebt. Als
„Mischung der Sphären“ ist die „spezielle, mäandernde und fragmentarische
Struktur“derPostkartenfotografienzuverstehen,diesomitdemautobiographi-
schenGenreentsprechen.10
Die Aufnahmenmanifestieren ein privates „Familiengedächtnis“,11 sind aber
nicht allein Ausdruck einer emotionalen Bindung und Anteilnahme unter Fami-
lienmitgliedern, sondern auch Signale an Schaukals Dichterkollegen und an die
lesendeÖffentlichkeit. Er erhieltundversandte zahlreichePortraitaufnahmen,um
denKontakt zuArthurSchnitzler, ThomasMannundvielenweiterenherzustellen
undsichmit ihnenzuvernetzen.DerBildertauschwareineverbreiteteGepflogen-
heitunterKünstlerinnenundKünstlernundtrugzur InszenierungvonSelbst-und
Autorschaftsentwürfen bei. Als HermannHesse (1877–1962) und Schaukal sich
überdenWertvonErfolgaustauschten,sinniertederältereDichter:„[I]chbrauch
nicht die cent lecteurs des Stendhal, ich brauch nur meine wenigen Freunde;
könnte ichmeineBüchernur Ihnenunddiesemgeben, jedeskostbaraufdemteu-
ren Papier gedruckt und wundervoll gebunden, mit meinem Bild ‚geschmückt‘
[...].“12 Darin kommt Schaukals Pose des unabhängigen, nicht uneitlen Dichters
deutlichzumAusdruck,derdasBuchalskostbarenGegenstandwertet.
Auchder Kritiker Karl Credner (1875–1943) bat Schaukal umeine Fotogra-
fie,mit der er dieWirkung seinesAufsatzes über „Modernedeutsche Lyrik“ in
der „polyglotten Monatsschrift Cosmos“ verstärken wollte. Der hohe Stellen-
wert vonAbbildungen in Zeitschriftenwird durch die Tatsache deutlich, dass
Credner zwischendemVerleger vonCosmosundSchaukalsWiener Fotografen
vermittelte,weil dieQualitätder zunächst eingesandtenBilder zugeringwar.13
AuchMarievonEbner-EschenbachreagierteaufdenwachsendenWunschihrer
Leser, sich ein biographisches Bild vonder verehrtenAutorinmachen zu kön-
nen.Dieneuen technischenMöglichkeitenveranlasstenebenfallsDichterinnen
10 Tropper:MischungderSphären,S.80.
11 Tropper:MischungderSphären,S.76–77.
12 BriefSchaukalsanHesse, 14.Oktober 1904,NachlassHermannHesse,LiteraturarchivMar-
bach(imFolgendenzit.alsH-NL,LAM).
13 BriefeKarlCrednersanSchaukal, 12.Mai 1905,27. Juni 1905und7.August 1905,S-NL,WB.
1 FotografiealsBiographie 55
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Titel
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Autor
- Cornelius Mitterer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorien
- Weiteres Belletristik