Page - 96 - in Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
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Die Zusammenarbeit zwischenSchaukal/Vogeler undSeemannwirft ein er-
hellendesLicht auf diedivergierendeAuffassungüberdieAnfertigungsprozesse
einesBuches.WährendderVerlegermöglichst raschundprofitorientiertarbeiten
wollte, verzögerte Schaukal die Produktion durch penible Korrekturenund ent-
wertete schließlich sogar die auf Japanpapier gedruckte Luxusausgabe, weil er
sie ander falschenStelle signiert hatte, sodass derDruck einer zweitenAuflage
der Sonderedition erforderlich war. Seemann drohte infolge des Missgeschicks
und wegen der langwierigen Arbeitsprozesse, die geplanten Neuauflagen von
Tage undTräume (die er danndoch verlegte) undTristia (1898bei Friesenhahn
erschienen)abzulehnen.DasArbeitsverhältnisendete imStreit.DerVerlegerver-
zichtete ausdrücklich auf die Publikation weiterer Manuskripte, die Schaukal
dennoch regelmäßig schickte, und er bot demAutor schließlichdieRestauflage
seiner unverkauften Bücher zu einemniedrigen Preis an– in Schaukals Augen
einAffront.8 Vogeler beruhigte den aufgebrachtenBriefpartnermit der fatalisti-
schen Gelassenheit des Künstlers, der die ökonomischen Unwägbarkeiten zu
kennen schien: „Von Seemann hätte ich übrigens kaum besseres erwartet; es
thutmir sehr leid, aberbeidieserArtVerträgen,wieSieesmit einemderartigen
Verlegergemachthabenwerden,kommtfürdenAutornieetwasheraus.“9
Die literaturbetrieblichenLeitliniendesVerlegerswarenmitSchaukalsdistin-
guiertemDichterhabitus, derdieMarkt-undVermarktungsprozessemit stoischer
Gelassenheit ignorierte,nicht kompatibel. In einemseiner letztenSchreibenhebt
SeemanndieAussichtslosigkeit hervor, ausdemVertriebvonLyrikbändenProfit
zu schlagen.Abgesehendavon, dass Schaukal einerGattung treublieb, die vom
wachsenden und sich verändernden Lesepublikumweniger konsumiert wurde,
verzichtete er ausdrücklich auf Werbemaßnahmen.10 Seemann beklagte sich
daheram17. Juni1903beiSchaukal:
Sie selbst haben sichdieVersendungmitWaschzetteln verbeten, undbei unseremRezen-
sionsversandandiePressewar selbstverständlichdementsprechenddasResultat einmise-
rables, indemkaum2%Besprechungen resp.Notizen eingegangen sind. Jeder Fachmann
wird Ihnen selbst bestätigen, dass es heute geradezu Wahnsinn und hinausgeworfenes
Geld ist,wennmanandieTagespresse, speciell die kleineProvincpresseRezensionsexem-
plareohneirgendwelcheBegleitschreiben,resp.Prospektverschickt.11
AuchwennSchaukal ökonomischeVerlustemit demVerlagSeemannmachte–
undviceversa–, kames immerhinzurZusammenarbeitmit einemangesehenen
8 Vgl.Leitner:RichardvonSchaukalundHeinrichVogeler,S. 16.
9 Zit.nachLeitner:RichardvonSchaukalundHeinrichVogeler,S. 17.
10 Vgl.Leitner:RichardvonSchaukalundHeinrichVogeler,S. 13–14.
11 Zit.nachLeitner:RichardvonSchaukalundHeinrichVogeler,S. 14–15,Fußnote27.
96 III Schaukal inNetzwerkenundFeldernderModerne
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik