Page - 97 - in Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
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Maler, derPierrot, dasBuchderTageundTräume sowiedas (verschollene)Titel-
blatt zuTristiagestaltete.Nicht zuletzt ebneteerdenWegzuDeutscheKunstund
Dekoration, eineder führendeneuropäischenKunstzeitschriftderZeit.12
IndiesemfrühenVerlegerkontaktsindMomentegegeben,dieSchaukals le-
benslangenUmgangmit Verlagen, Buchhändlern und Redakteuren sowiemit
den gängigenWerbe- und Verkaufsmaßnahmen im literarischen Feld bestim-
mensollten.
Schaukals Korrespondenzpartner legten ihm immer wieder nahe, sich an
die literarische Großform zu wagen. Verlage erhofften und erwarteten sich
geradezu einen Roman, wie ihn etwa ThomasMann oder JakobWassermann
(1873–1934) im deutschen Sprachraummit Buddenbrooks (1901) beziehungs-
weiseDieGeschichteder jungenRenateFuchs (1900) vorgelegthatten, oderwie
er in Österreich Otto Stoessl (1875–1936) mitDas Haus Erath zwei Jahrzehnte
später gelingen sollte. Doch die kleine Formund vor allemdie Lyrik gehörten
zu Schaukals Distinktionsmerkmalen. Auch seine Essays versperrten sich os-
tentativ der breiten Rezeption. Leopold Husinsky bezeichnete 1926 Schaukals
Stifter-Essays dementsprechend zwar als das „Beste undReifste der Stifterlite-
ratur. Ebendarumist es [jedoch]herzlichzubedauern,daßSchaukaldie stilis-
tische Formung dieser Aufsätze zum größten Teil so esoterisch gestaltet hat,
daßsich ihreganzeBedeutungnurdemFachmannerschließt.“13
Für SchaukalwarderAkt desSchreibensgleichzusetzenmit einer pronon-
cierten Geste der Abgrenzung, mit Bourdieu gesprochen: eine Praxisform der
Distinktionsowohlvonbürgerlichen ‚Philistern‘als auchvondenneuenLeser-
schichten. IndiesemPunktstimmteseinePoetikmitderdes JungenWienüber-
ein. Andererseits versuchte er vor allem in der Frühphase seines Schaffens
einen Roman vorzulegen, und noch 1910 kündigte er die Publikation einer
großenErzählungan.14 SpäterwurdeSchaukal ausdrücklichdafürgelobt, dass
er der Dichtung ein Leben lang treu geblieben war. „Ich glaube nicht, daß
Schaukal je einTheaterstückoder einRomanglückte“, so einRedakteur inder
demDichterpositivgesinntenReichspost:
Er hat auch, in kluger Selbsterkenntnis, keinerlei ernsten Versuch unternommen, sich
einemGenreanzuzwingen,das ihmnichtadäquat ist.Undbeharrt, darin sichselbst vom
Anfangangetreu [. . .] dabei,was ihmderAugenblick,höchstensdiekurzeundzuhöchst
die lange Weile zuträgt, die Impressionen und Empfindungen in wenig umfangreiche
12 Vgl.Leitner:RichardvonSchaukalundHeinrichVogeler,S. 17.
13 Leopold Husinsky: Richard v. Schaukal: Adalbert Stifter. In: Reichspost, Nr. 33/1926
(1.März1926),S.8.
14 Etwa anMax Brod, wie aus dessen Brief an Schaukal vom 20. Januar 1910 hervorgeht,
S-NL,WB. 1 VerlagsstrukturenundVerlagsnetzwerke 97
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik