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gestus in denBriefen und der Negativkritik ist denkbar. Der drohendeMisser-
folg seines Dramas ließ den erfolgsverwöhnten Schriftsteller nicht unberührt
undzogdie erwähnteöffentlicheFehdenachsich, inderThomasMannseinen
älterenBruderHeinricheinschaltete.
WieNorbert ChristianWolf in seiner Arbeit darlegt, setzte sich auchMusil
inDerMannohneEigenschaften eingehendmit denKonkurrenz- undMarktdy-
namiken in denNetzwerken der literarischen Felder seiner Zeit auseinander.53
DabeigelangteMusil zudemironischgefärbtenSchluss:
DieunerläßlichsteVoraussetzung,umeinGroßschriftsteller zuwerden,bleibt alsodie,
daß man Bücher oder Theaterstücke schreibt, die sich für hoch und niedrig eignen.
Manmußwirken, ehemandasGutewirkenkann;dieserGrundsatz ist derBodeneines
jeden Großschriftstellerdaseins. Und das ist ein wundersames, gegen die Versuchun-
gender Einsamkeit gerichtetes Prinzip, geradezudasGoetheschePrinzipdesWirkens,
daßman sichnur in der freundlichenWelt regenmüsse, so kommedann alles andere
vonselbst.54
Mit Bezug auf Thomas Manns Betrachtungen eines Unpolitischen (1918) hebt
Wolf das Verfahren der „doppelten Optik“ als entscheidendes Erfolgsfaktum
hervor.Der literarischeDoppelerfolggründeaufdemPrinzip, sowohlden„Ar-
tisten“als auchden „Bürger“mit einemWerkanzusprechen.55 ThomasMann
formulierte gegenüber Schaukal ganz ähnlich sein Anliegen, nicht nur von
einer „Corona von Universitätsprofessoren“ gerühmt zu werden,56 sondern
auch „aus dem Publicum“ Lob zu erhalten. „Ein ganz Naiver schrieb: ‚Sie
haben es verstanden, [. . .] mir und jedenfalls vielen anderen Durchschnitts-
menschen Schiller menschlich so nahe zu bringen, wie er selbst es nie ver-
mochthat‘“,umdannzufrieden festzustellen:„Waswill ichmehr?“57
Der Doppelerfolg gelinge, so Musils ironischer Seitenhieb auf Thomas
Mann,mit einemnational ausgerichtetenWirken inden „Großschriftstellerfel-
dern“, in dem in erster Linie „Essayisten, Biographen und Schnellhistoriker
[reüssieren],die ihrBedürfnisaneinemgroßenMannverrichten.“58
Wolf kommt zu dem auch für die Untersuchung Schaukals wesentlichen
Schluss,dassMusil versuchthabe,deneigenenAutonomieansprüchen treuzu
53 Vgl.Wolf:KakanienalsGesellschaftskonstruktion,S. 1028.
54 Musil:DerMannohneEigenschaften,S. 185.
55Wolf:KakanienalsGesellschaftskonstruktion,S. 1028,Fußnote692.
56 Brief Manns vom 30. April 1905 an Schaukal, in: Girardi (Hg.): ThomasMann: Briefe an
RichardSchaukal,S. 102 (TMSch70).
57 BriefManns vom13.Mai 1905 anSchaukal, in: Girardi (Hg.): ThomasMann: Briefe anRi-
chardSchaukal,S. 103 (TMSch71).
58 Musil:DerMannohneEigenschaften,S. 186.
1 VerlagsstrukturenundVerlagsnetzwerke 107
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik