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1.3 Verlagssuche inZeitenpolitischerUmbrĂŒche
Schaukal versuchte, sichbis zumErstenWeltkriegdenÀsthetischenwiegewerb-
lichenStrukturendes literarischenFeldes imdeutschenKaiserreichanzunÀhern,
waszugeringerPrĂ€senz imösterreichischenVerlagswesen fĂŒhrte.Beimbefreun-
detenDichterHugoSalus (1866â1929)beklagteer sich:âĂberhauptVerleger! Ich
âgehâ halt gar nicht und zerstreitemichmit jedem. Literarisch persönliche An-
knĂŒpfungen find ich nicht. DeshalbwohlweiĂ auchWien (wer ist der?) nichts
vonmirhier.MichlangweilenLiteraten.â64
Infolge der eingangs erwÀhnten Industrialisierungs- und Vermarktungs-
prozessederBuchproduktionwarenösterreichischeSchriftsteller besser bera-
ten, imNachbarlandzupublizieren. In seinem1900publiziertenAufsatzĂŒber
die neu erschienene österreichische Literaturgeschichte von Johann Nagl
(1856â1918) und Jakob Zeidler (1855â1911) bringt HermannBahr das Verlags-
dilemmazurSprache:
An demUnternehmen, von dem bis jetzt drei Hefte vorliegen, hĂŒbsch ausgestattet und
leserlich geschrieben, freilich ein bischen schwerer und gravitÀtischer, als es die Sache
geradeverlangthĂ€tte, ist zunĂ€chsteinssehrerfreulich:dassĂŒberhauptwiedereinmalein
Buch inWienerscheint.Dieshabenwir schongarnichtmehr fĂŒrmöglichgehalten, so rar
ist es geworden.Man bedenke doch, dass seit Jahren unsere Autoren allemit ihren BĂŒ-
chern insExil nachDeutschlandgehenmĂŒssen:manhatunsgezwungen, inderFremde
daheimzusein. SaarbeiWeiss inHeidelberg, dieEbner-EschenbachbeiPaetel inBerlin,
Karlweis,Hevesi undChiavacci bei Bonz inStuttgart, Pötzl bei BonzundReclam,Burck-
hard, J. V.Widmann und Ebermann bei Cotta in Stuttgart, Kalbeck, Beer-Hofmann und
die Marriot bei Freund und Jeckel in Berlin, die delle Grazie bei Breitkopf u. HĂ€rtel in
Leipzig, die Suttner, Torresani, Dörmann, Engel, BrÚe, Groller und Lothar bei Pierson in
Dresden,LangmannbeiFriese inLeipzig, SchaukalundLindnerbeiSchusterundLöffler
in Berlin, Pichler,Wertheimer undGrasberger beiMeyer in Leipzig, Schnitzler, Andrian,
Altenberg,Hofmannsthal, die FannyGröger und ichbei Fischer inBerlin, und soweiter.
Ist das nichtâ sprechenwir unsere Empfindung nur ausâ ist das nicht eine Schmach?
MĂŒssenwir uns nicht schĂ€men?Nicht fĂŒr uns â dennman glaubt doch nicht, dass wir
uns gern verbannt haben? Aber fĂŒr dieseWiener Verleger, von denenmannicht weiss:
sindsie sodummodersindsie so faul,diebestenGeschÀfteauszulassen?Nun,nachund
nach scheint es doch, dass sie anfangen, sich einwenig zubesinnen, und ichdenke, sie
werdenesnichtzubereuenhaben.65
64 Brief Schaukals an Hugo Salus, 3. Juni 1903, zit. nachWarum: Briefe einesMĂ€hrers aus
Wien indieHeimatundnachBöhmen,S.78.
65 HermannBahr: Oesterreichisch. In: KS. Bd. VII: Bildung. Essays.Weimar 2010, S. 83â87,
hierS.84. 1 VerlagsstrukturenundVerlagsnetzwerke 109
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik