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das Kleinhandwerk, sondern auch den Literaturbetrieb und seine Akteure vor
denScheideweg,„entwederstarran traditionellenFertigungsweisen [festzuhal-
ten] und damit ins soziale Abseits [zu geraten], oder aber sich den standardi-
sierten Technologien [auszuliefern], selten als selbständige Fabrikanten,meist
alssubalterneArbeiter.“94
In der Folge häuften sichmetakritische Reflexionen über dieMediatisie-
rungsprozesse. Die Branche steigere die Kommerzialisierung der Literatur,
Konkurrenzdruck und Zeitmangel verringerten denQualitätsanspruch, so die
VorwĂĽrfe, die bis auf KĂĽrnberger zurĂĽckgehen.95 Ambitionierte Schriftsteller
konnten sich um 1900 denmerkantilen Bedingungen noch viel weniger ent-
ziehen,alsdiedervorangegangenenGenerationen.AbgesehenvonKarlKraus
verfügten wenige Akteure zugleich über die finanziellen Möglichkeiten wie
unternehmerischenundauch literarischenQualitäten, umdie essentielle Ins-
tanzdeskünstlerischenFeldesautonommitgestaltenzukönnen.
Schaukalversuchtebereits in jungenJahren,dasMediumfĂĽrseineZweckezu
verwenden. In einem frĂĽhen Zeitungsaufsatz von 1899 bezieht er Stellung gegen
die angesprochenen Entwicklungen: „Über die Forderung von sogenannten Ge-
danken inderDichtung“ ist einepessimistischeZeitdiagnose, inder sichderVer-
fasser gegen die Vermarktung von Literatur und gegen die massenwirksame
Verbreitung von Kunst durch das Feuilleton ausspricht.96 Der bereits erwähnte
Beitrag erschien in derWiener Rundschau, diewährend ihres fünfjährigenBeste-
hens auch Gedichte von Vertretern des Jungen Wien publizierte. Werke von
Schaukal,Hofmannsthal,Altenberg,aberauchKraus’KritikanJung-Wien(Diede-
molirte Literatur) sind imersten JahrgangderKulturzeitschrift verewigt. Ihre pro-
grammatische Ausrichtung stimmtmit der zeit- und kulturkritischen Auffassung
des jungen Schaukal ĂĽberein. InHeft 1 des dritten Jahrgangs (1898/1899) formu-
liertdieWienerRundschau ihreMission:
Sie will überdies zu einer Zeit, da das Verständnis desWesens der Kunst fast gänzlich
abhandengekommen ist, derKunst an sich eine Zufluchtstätte bieten, gänzlich entrückt
denMasstäben,welchedieherrschendeHalbbildung, auf ihrematerielleMacht gestützt,
auchandieWerkederKunstzu legengeneigt ist.DasGefĂĽhl fĂĽrDistanzen, fĂĽrZwischen-
räume und Rangunterschiede, diese Grundlage jeder Cultur, ist uns verloren gegangen;
94 Reinhard Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels. Ein Ăśberblick. MĂĽnchen
1991,S. 257.
95 Vgl. Oliver Pfohlmann: Literaturkritik in der literarischenModerne. In: Literaturkritik. Ge-
schichte,Theorie,Praxis.Hg.vonThomasAnzundRainerBaasner.München2004,S.94–113,
hierS. 104–105;vgl.auchMitterer:RichardSchaukal–LiteraturkritikerderModerne,S. 55.
96 Vgl.Schaukal:ĂśberdieForderungvonsogenanntenGedankeninderDichtung. In:Wiener
Rundschau,3. Jg,Nr. 7 (15.Februar 1899),S. 171–173.
116 III Schaukal inNetzwerkenundFeldernderModerne
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik