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Jürgen Egyptien
Ernst Fischers Auseinandersetzung mit
der Oktoberrevolution und der jungen
Sowjetunion in literarischen, essayistischen und
filmkritischen Texten
Abstract: Ernst Fischer surely has been one of the most accurate observer of the manifold
changes in Russia, as documented by numerous articles published first in the Arbeiterwille
(Graz) and then in the more prestigious Arbeiter-Zeitung and Der Kampf. Throughout the
1920s, his approach to the new Russian ‘spirit’ is predominately moved along the artistic
progress in film and literature (Eisenstein, Gladkow, Tatlin), whereas Lenin occupied the
role of an “organized genius”. For the early 1930s, a kind of ideological turning point can be
outlined, that emerged in Fischer’s enthusiasm regarding Tretjakow’s absolutisation of politics
and abandonment of aesthetics.
1 Konzert- und Filmkritik
Auf der Suche nach dem frühesten Text von Ernst Fischer über russische Kultur
stößt man auf eine Besprechung eines Auftritts der Donkosaken in Graz, über die
er am 5.
September
1923 in der Rubrik „Theater, Kunst und Literatur“ der sozial-
demokratischen Zeitung Arbeiterwille, zu deren Redakteuren er gehört, berich-
tet hat. Bemerkenswert an diesem kleinen Text ist die halb völkerpsychologische,
halb kunstphilosophische Deutung der Donkosaken-Darbietung. Fischer hört
aus dem Gesang des Männerchores die Stimme eines Slawentums heraus, das,
„dumpf in Landschaft und Erde gebunden“,1 noch einer quasi vorgeschichtlichen
Zeit angehöre. Die „große, magische Orgel“ der zusammenklingenden Stimm-
lagen, zu denen Fischer synästhetisch konkrete Klangfarben assoziiert (weiße
Tenöre, braune Baritone, schwarze Bässe), löst bei ihm die Vorstellung einer
Ungeschiedenheit aus:
„Alles ist unbestimmt, groß und gestaltlos […]. Es ist wie
Vorzeit, ehe noch das Wort ‚Es werde Licht‘ gesprochen wurde.“ Der Chor der
Donkosaken wirkt auf Fischer wie ein „Orchester von Elementarmächten“, wie
eine ungestalte Masse, aus der nur ab und zu eine Einzelstimme dringe und eine
1 Ernst Fischer: Die Donkosaken. In: Arbeiterwille (5.9.1923), S. 11.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Title
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Subtitle
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Author
- Primus-Heinz Kucher
- Editor
- Rebecca Unterberger
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 466
- Category
- Kunst und Kultur