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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
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E. Fischers Auseinandersetzung mit der Sowjetunion 95 des Fünfjahresplans weist bereits die rhetorische Machart auf, die für Fischers stalinistische Phase kennzeichnend sein wird. Stalin wird in diesem Text auch erstmals rückhaltlos zustimmend mit seinem „wundervollen Wort“ zitiert:  „Die Arbeit wird aus einem schweren Joch zu einer Sache der Ehre, des Ruhmes, des Heldentums.“ Diese Formel wiederholt der Artikel gebetsmühlenartig zwischen langen Zitaten aus den Büchern von Michail Il’in und Julius Haydu über die Produktionsleistungen von Traktorenfabriken und Eisenhütten. Fischers Auseinandersetzung mit der jungen Sowjetunion ist von einem deut- lichen Wandel der Gegenstände geprägt. Befragt er zunächst Filme und Romane nach ihrer Aussagekraft über die Wandlung des russischen Geistes und über die Umwälzungen in der Gesellschaft, so rücken in den letzten Jahren der Ersten Republik Reportagen und wirtschaftliche Statistiken in den Fokus seiner Auf- merksamkeit. Natürlich ist diese Verschiebung auch objektiv bedingt durch die Konfrontation einer „Welt der Arbeitslosigkeit“ mit der ökonomischen Anstrengung des Fünfjahresplans als dem „wunderbarsten Ereignis der Welt- geschichte“.44 Dieser Wandel in Fischers Interessen geht einher mit einer Ver- absolutierung des Politischen gegenüber allen anderen Aspekten; Ästhetisches, Geistiges, allgemein Kulturelles ist unter dem Primat des Politischen vollständig pulverisiert. Fischers ästhetisches Denken in der Zeit der Ersten Republik erreicht damit gewissermaßen eine Art Schlusspunkt, den man als eine Selbstaufhebung inter- pretieren kann. Die ausschließliche Orientierung an der Nützlichkeit im Klas- senkampf bei der Bewertung geistiger Hervorbringungen wird von seinem bekenntnishaften Artikel „Diktatur der Idee“ von 1932 ratifiziert. Den Aus- gangspunkt bildet für Fischer die Notwendigkeit einer Entscheidung, wie sie dezisionistischer auch Carl Schmitt nicht hätte formulieren können: Heute gibt es nur Ja oder Nein, heute gilt für uns das Wort der Bibel:  „Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns.“ […] Ziehen wir einen Trennungsstrich zwischen uns und allen, die heute noch meinen, ihre höchst komplizierte Individualität und nicht die höchst einfache Forderung nach dem Sozialismus sei die Hauptsache.45 Etwa sechs Wochen später erhebt Fischer diesen dezisionistischen Zwang zur Signatur der Gegenwart:  „Heute muß man den Mut zur Einseitigkeit haben, heute muß man Partei ergreifen. Es gibt nicht eine Spezialgegenwart für Dichter. Democracy:  the crisis of Austrian socialism 1927–1934. Diss. Univ. of Wisconsin. 1973, S.  219). 44 Ernst Fischer:  5 Jahre, die die Welt verändern. In:  Arbeiter-Zeitung (6.11.1932), S.  14. 45 Ders.:  Diktatur der Idee. In:  Arbeiter-Zeitung (27.3.1932), S.  17.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Title
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Subtitle
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Author
Primus-Heinz Kucher
Editor
Rebecca Unterberger
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Size
14.8 x 21.0 cm
Pages
466
Category
Kunst und Kultur
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