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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
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Die „schöne neue Welt“ in Roths „Reise in Rußland“ 145 Kind ist beteiligt und verantwortlich […] alle Menschen klettern auf Gerüsten, stehen auf Leitern, steigen auf Treppen, reparieren, bauen ab, schütten zu. Noch steht niemand frei und souverän auf der Erde“ [RW  624]. Trotz ihrer ironischen Färbung trifft die Roth’sche Metapher der Baustelle ein zentrales sowjetisches Ideologem, das sich durch die ganze Geschichte des Landes zieht:  von Lenins These über „den Bau des Kommunismus in einem Einzelland“ über das letzte Allunion-Projekt, die als „Bau des Jahrhunderts“ gepriesene Baikal-Amur-Ma- gistrale (BAM), bis hin zu Michail Gorbačёvs Perestroika, also hin zur „Umge- staltung“, die das nachfolgende Ende des Staates ausgelöst hat. 4 Hinter der Maske der Utopie Das seltsame Gemisch aus kulturellem Verfall, technisch-pragmatischer Moder- nität und kommunistischem Drill, das Roth zum Kern des nachrevolutionä- ren Sowjetrusslands erklärt, findet er überall, das heißt im öffentlichen wie im privaten Leben der Sowjetmenschen, wieder. Dadurch unterminiert er die sowjetische Propaganda, die alle Fehlschläge und Entstellungen des sozialis- tischen Aufbaus in einem rosigen Licht erscheinen ließ und sich dabei durch präzedenzlose Verlogenheit24 hervorgetan hat. Der desillusionierende Umgang mit der sowjetischen Realität wird zu seiner wichtigsten Darstellungsstrate- gie. Aus diesem Blickwinkel analysiert Roth die Politik der kommunistischen Partei in den Bereichen Religion, Bildung, Kunst, Presse, öffentliche Meinung und Geschlechterverhältnisse. Dabei entlarvt er nicht nur die Schattenseiten der nachrevolutionären Umwandlungen, die die bolschewistische Ideologie als große Errungenschaften der Sowjetmacht verherrlicht hat, sondern auch jene Methoden und Mittel, derer sich diese Ideologie bedient hat. So mokiert sich der Schriftsteller über die brutale atheistische Propaganda, die gegen die religiöse Lehre mit groben, antiquierten „Beweisen“ ins Feld ziehe, etwa mit Verweis dar- auf, dass Donner und Blitz […] Erscheinungen der Elektrizität [sind]; die Welt […] billionenmal älter [ist], als die Bibel glaubt; die Welt […] nicht in sechs Tagen, der Mensch nicht aus Staub erschaffen worden [ist]:  Er kommt vom Affenmenschen her. Besonders über diese Entdeckung herrscht in Rußland eine unwahrscheinlich naive Freude. Die Men- schen sind stolz darauf, mit dem Pithekanthropus verwandt zu sein, als hätten sie eine 24 Dieses Urteil des von der bolschewistischen Revolution enttäuschten Europäers Pierre Pascal führt François Furet neben ähnlichen Beispielen an in:  Furet, Das Ende der Illusion, S.  178.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Title
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Subtitle
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Author
Primus-Heinz Kucher
Editor
Rebecca Unterberger
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Size
14.8 x 21.0 cm
Pages
466
Category
Kunst und Kultur
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