Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Page - 160 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 160 - in Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938

Image of the Page - 160 -

Image of the Page - 160 - in Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938

Text of the Page - 160 -

Katja Plachov160 Zur Untermauerung seiner Anschauung verweist Fülöp-Miller auf den Sozialpsychologen Gustave Le Bon, dessen Psychologie der Massen (frz. Psycho- logie des foules) von 1895 europaweit enorme Popularität erlangt hatte und auch in der Zwischenkriegszeit noch breit rezipiert wurde: In der Weimarer Republik bilden Le Bons Ideen einen Steinbruch, aus dem Kultur- konservative wie Oswald Spengler, Karl Jaspers, aber auch Literaten wie Hugo von Hofmannsthal und Stefan George ihre Argumente herausschlagen. Was die durchaus unterschiedlichen Denker und Dichter verbindet, ist ihr Fortschrittspessimismus.35 Dass der Mensch durch die Zugehörigkeit zu einer Masse auf der Stufenleiter der Zivilisation herabsteige, da seine bewusste Persönlichkeit verschwinde und das Unbewusste vorherrsche [vgl. GG  6], zitiert Fülöp-Miller als Le Bons zentralen Gedanken. Als zweiten Kronzeugen für seine Ausführungen führt er Sigmund Freud ins Treffen:  Freuds Studie über Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921) findet Erwähnung, als Fülöp-Miller „[g] anz im Gegensatz zu diesen Ansichten westeuropäischer Forscher“ die Dichter des Bolschewismus, etwa Dem’jan Bed- nyj, positioniert, die „in apokalyptischer Begeisterung das kommende Reich des Massemenschen“ feiern [GG  6]. Fülöp-Miller präsentiert die Geschehnisse in Sowjetrussland somit durch das transformierende Prisma der massenpsychologischen Konzeption Le Bons und aktiviert durch diese Bezugnahme die Deutungen des nach wie vor populären Autors. Die Vorstellung, die er daran anschließend über den Zustand der Kunst und Kultur in Sowjetrussland entwickelt, fällt dementsprechend aus:  Alles in Russland geschehe um der Masse willen, und Kunst, Literatur, Musik und Philo- sophie dienen vor allem dazu, sie zu lobpreisen [vgl. GG  5]. Diese Vorstellung von Sowjetrussland wird auch visuell transportiert:  Im ersten Kapitel von Geist und Gesicht dominieren Fotografien von Demonstrationen und anderen Men- schenansammlungen, gezeigt aus der Vogelperspektive oder in der Totale. Teil- weise wirken die Abbildungen collagenhaft verzerrt, etwa wenn über die Fläche eines ganzen Fotos nahezu gleichgroße Personen angeordnet sind und die natür- liche Tiefendimension fehlt.36 35 Falko Schneider:  Filmpalast, Varieté, Dichterzirkel. Massenkultur und literarische Elite in der Weimarer Republik. In:  Rolf Grimminger (Hg.):  Literarische Moderne. Europäische Literatur im 19. und 20.  Jahrhundert. Reinbek b.H.:  Rowohlt 1995, S.  453–478, zit. S.  456. 36 S.  die Bildtafeln 4, 5, 7, 8, 10 sowie die Einträge unter „Masse“ im Schlagwort-Register der Illustrationen in:  [GG  474].
back to the  book Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938"
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Title
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Subtitle
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Author
Primus-Heinz Kucher
Editor
Rebecca Unterberger
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Size
14.8 x 21.0 cm
Pages
466
Category
Kunst und Kultur
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹