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Marco
Hoffmann240
Nachfolgend sei der Versuch unternommen, einigen Merkmalen dieser teils
disparaten Strömungen in der Musik nachzuspüren und sie in Beziehung zu der
Oper Maschinist Hopkins, Brands bedeutendstem Erfolg, zu setzen.
Dass die Zusammenschau der beiden kulturell eigenen Welten einer pers-
pektivischen Spurensuche gleichkommt, muss von Beginn an festgehalten wer-
den: Brands Werk steht in mehrschichtigen kulturellen Traditionslinien, die ein
Netzwerk vielfältiger, manchmal aber auch schwer bestimmbarer Bezüge bieten.
Um das „Russische“ in Brands Monumental-Opus zu orten, muss die Spurensu-
che auch in Russland – zu zunächst vorrevolutionären Zeiten – beginnen.
1 Futuristisch motivierte Strömungen im (vor-)revolutionären
Russland
Als am 3. Dezember 1913 im Lunapark-Theater in Sankt Petersburg eine neue
Oper mit dem Titel Sieg über die Sonne Premiere feierte, sollte sie – ganz im
Sinne des Schöpfers, in diesem Fall gar Schöpferkollektivs2 – auch ein Sieg über
das Publikum sein. Offensiv provokante Interaktionen zwischen den agierenden
Musikern und Schauspielern und aggressiv reagierenden Zuschauern zeugten
davon unmittelbar.3 Wie ist ein solcher Akt der Verweigerung gegenüber tra-
dierten Normen des Kulturlebens im Spiegel der Musikgeschichte zu bewerten?
Als russische Antizipation eines bald aufkommenden Dadaismus?4 Als eine Art
Skandalkonzert, von denen das Jahr 1913 schon einige als seismographische
2 Tatsächlich war die Arbeit an der Oper in allen Bereichen ihrer interdisziplinären
Anlage aufgesplittert:
Um das Libretto kümmerte sich der Dichter Alexei J.
Krutscho-
nych, welcher ein Jahr zuvor u.a. mit Vladimir Majakovskij das Manifest Eine Ohrfeige
dem allgemeinen Geschmack veröffentlicht hatte und später gemeinsam mit Velimir
Chlebnikow die Kunstsprache „Zaum“ entwickelte. Letzterer wirkte auch am Libretto
der Oper mit und dichtete den Prolog. Für die Musik zeichnete Michail Matjušin
verantwortlich, der u.a. als Violinist im Hoforchester von Sankt Petersburg agierte,
zudem auf dem Gebiet der bildenden Kunst bewandert und in regem Austausch mit
Kasimir S. Malewitsch stand. Dieser entwickelte die bildnerischen Bühnenelemente
und die Kostüme der Oper (vgl. Felix Philipp Ingold:
Der große Bruch. Russland im
Epochenjahr 1913. Kultur, Gesellschaft, Politik. München: C.H. Beck 2000, S. 126).
3 Vgl. ebd., S. 129.
4 Die knapp drei Jahre später in Zürich u.a. von Hugo Ball und Hans Arp gegründete
Bewegung lässt viele Schnittpunkte mit dem Großprojekt Sieg über die Sonne zu, nicht
zuletzt durch die Anwendung a-semantischer sprachlicher Verfahren.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Title
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Subtitle
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Author
- Primus-Heinz Kucher
- Editor
- Rebecca Unterberger
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 466
- Category
- Kunst und Kultur