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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
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Marco Hoffmann256 werden:  Brand integriert sie in einen betäubten Klangrausch aus Vergnügungs- sucht. Die zweite zentrale Stelle, in der Jazz als ein Element der Oper auszuweisen ist, findet sich bereits im ersten Akt. In einem „Gartenvergnügungs-Etablissement“ performt eine Jazzband, die in diesem Fall einer reduzierten Bigband-Besetzung sehr nahe kommt.68 Interessant ist die Violine, die als solistisches Instrument eingesetzt wird und eine Improvisation vortäuscht. Schon in Ernst Kreneks 1927 uraufgeführter Oper Jonny spielt auf stellt die Solovioline, trotz ihrer eigentlich sehr europäisch-traditionellen Semantik, die Verführungskraft des Jazz dar. Im berühmten Schluss von Kreneks Oper spielt der afroamerikanische Jazzmusiker Jonny auf einer Bahnhofsuhr, die die Erdkugel repräsentiert, stehend zum Tanz auf.69 Jonny verkörpert die Rhythmen Nordamerikas, die scheinbar die ganze Welt in Besitz nehmen und, so im Schlusschor zu vernehmen, „das alte Europa durch den Tanz“ beerben.70 Das gleiche Amerika-Bild wird bei Brand in der vor- liegenden Szene aufgerufen. Im vierten Bild, welches an das lange Vorspiel der Jazzband anschließt, tanzen und singen „vier Neger“, die das Publikum amüsie- ren und begeistern. In ihnen spiegelt sich das Hypnotikum der Zeit:  Sie betören ihre Zuschauer und -hörer durch eine Musik, die ein vermeintliches Gegenstück zu den futuristischen Anleihen der Maschinenmusiken bildet  – und das, obwohl sie ihre Zeit und die Arbeiterklasse in gleichem Maß repräsentieren.71 Doch für Maschinist Hopkins scheint es nicht primär von Interesse zu sein, welche Sphären, seien sie semantischen oder musikalischen Ursprungs, im Kon- trast zueinander stehen. Ergiebiger sind die Berührungspunkte der von Brand veranschlagten verschiedenen Idiome. So unterschiedlich, wie der Jazz etwa auf den Zuhörer im Vergleich zu den Maschinenmusik-Sequenzen wirkt, so haben beide musikalisch doch eine entscheidende Gemeinsamkeit:  In meist stark ost- inatohaft ablaufenden Repetitionen und rhythmischen Mustern verkörpern sie beide den schnellen Strom der 1920er Jahre und werden auch bei Brand als 68 Sowohl der Einsatz von Saxophonen und zwei Klarinetten, Trompeten, einer Jazz- posaune, Banjo und Klavier ist neben der Solovioline vorgesehen (vgl. ebd., S.  165). 69 Vgl. Ernst Krenek:  Jonny spielt auf (Klavierauszug). Wien:  Universal-Edition 1925/26, S.  203:  „Sowie die Uhr unten angekommen ist, erscheint auf ihr transparent die Zeich- nung der Erdkugel. Der leuchtende Globus beginnt zu rotieren, Jonny steht auf dem Nordpol und spielt die Geige, alles tanzt im Kreis um die Kugel.“ 70 Ebd., S.  207. 71 Fast könnte man diese Gegensätze auch den russischen Institutionen, der o.g. ASM und der RAPM, zuordnen:  Der eine Stil ist volksnah („gegenwärtig“), der andere visionär (futuristisch).
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Title
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Subtitle
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Author
Primus-Heinz Kucher
Editor
Rebecca Unterberger
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Size
14.8 x 21.0 cm
Pages
466
Category
Kunst und Kultur
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