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Olesya
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4 Aspekte der Kooperation mit Muzsektor Gosidat
Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit von der UE und Muzsektor Gosiz-
dat konkret? Werke, die als gemeinsame Ausgabe erschienen, wurden in der
UdSSR gedruckt. Für die Registrierung der Muzsektor-Ausgaben wurden
Korrekturbögen nach Wien gesandt, wo ihnen eine Ausgabennummer der UE
zugeteilt wurde. Anschließend wurden die Korrekturbögen zum Druck zurück
nach Moskau geschickt. Auf den Umschlägen, die im Firmenstil von Muz-
sektor Gosizdat gestaltet waren, wurden beide Verlage angeführt (s. Abb. 4).
Danach wurde ein Teil der Auflage nach Wien geschickt. Eine solche Auftei-
lung der Agenda in Druck und Verbreitung (Druck der Werke in der UdSSR
und Vertrieb durch die UE) war höchstwahrscheinlich bequem und profitabel
für beide Seiten – zumal sich die Herausgabe neuer Drucke bei der UE Ende
der 1920er Jahre verlangsamte. Die Auswahl der Werke für den Versand nach
Wien oblag der Leitung von Muzsektor Gosizdat und gestaltete sich nicht ten-
denziös, das heißt unter den Autoren waren nahezu alle bedeutenden Kompo-
nisten vertreten, sowohl arrivierte als auch junge: Neben den Traditionalisten
Dmitrij Kabalevskij, Sergej Vasilenko, Aleksandr Kobyljanskij, Vladimir Fere,
Lev Knipper, Boris Šechter und Viktor Belyj fanden sich stärker der Gegenwart
verpflichtete Komponisten wie Mosolov, Šostakovič, Šillinger, Roslavec, Polo-
vinkin, Vladimir Deševov, Aleksej Životov oder Gavriil Popov – insgesamt
über 110 Namen. Neben den Mitgliedern der ASM fanden sich auch deren
‚Kontrahenten‘, die Vertreter der Russkaja associacija proletarskich muzy-
kantov (dt. Russische Gesellschaft der proletarischen Musiker, kurz: RAPM)
mit Viktor Belyj, Dmitrij Kabalevskij, Daniel’ Žitomirskij und anderen. Nach
Informationen, die die UE Detlef Gojowy überlassen hat, übernahm der Wie-
ner Verlag das sowjetische Verlagsprogramm zur Gänze. Der Vertrag schloss
jedoch als politisch tendenziös einzuschätzende Werke aus der gemeinsamen
Produktion aus,46 und Muzsektor Gosizdat leistete dem Folge: Abgesehen von
einigen wenigen Werken wie zum Beispiel dem Kinderstück Na majskom praz-
dnike (dt. Auf dem Maifest) von Vladimir Fere gelang es nicht, agitatorische
Stücke in Wien zu platzieren.
46 Detlef Gojowy: Neue sowjetische Musik der 20er Jahre. Regensburg: Laaber Verlag
1980, S.
36.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Title
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Subtitle
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Author
- Primus-Heinz Kucher
- Editor
- Rebecca Unterberger
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 466
- Category
- Kunst und Kultur