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260 Christian Scholl
Herz, wenn bei all’ den niederschlagenden Erfahrungen der Gedanke aufsteigt, daß es doch
besser seyn könnte.11
FĂĽr Eitelberger als Kunstkritiker wird dieser Vergleich der neuen mit der alten Kunst
eine zentrale Rolle spielen.
Als Ästhetiker vertritt Eitelberger einen vitalistischen Ansatz. Auch dies verbindet
ihn mit zeitgenössischen Junghegelianern wie Friedrich Theodor Vischer.12 Eitelberger
fordert vom Kunstwerk einen »selbständigen, gesunden Kern« sowie »kernige Individu-
alität«, einen »tüchtig kräftige[n] Farbenton« und »organische Lebendigkeit«.13 In einer
Zeit, in der die sogenannten Belgischen Bilder Furore machten, wurde ein kräftiges
Kolorit immer mehr zu einer Grundforderung der Kunstkritik. Maler wie Tizian und
Rubens figurierten als neue Leitbilder gegenĂĽber dem Raffaelkult der ersten Jahrzehnte
nach 1800.14
Als Kunstkritiker war Eitelberger gewiss kein strenger Formalästhetiker im Sinne
Robert Zimmermanns.15 Er legte aber groĂźen Wert darauf, dass das Inhaltliche durch
beherrschte künstlerische Gestaltung möglichst kraftvoll und individuell zu bewältigen
sei, so dass es in der Form aufgeht und kein Eigenleben führt : »Diese kernige Individu-
alität aber muß auch in der Technik so Meister seyn, daß die Differenz zwischen Wollen
11 Ebenda, S.Â
250.
12 Vgl. u. a. M. B. Frank, ›Castrated Raphael‹ : Friedrich Overbeck and allegory, in : Word & Image,
18, 2002, S. 87–92 ; ders., German Romantic Painting Redefined. Nazarene tradition and the nar-
ratives of Romanticism, Aldershot 2001, S.Â
148–150, S.Â
157–159 ; Ch. Scholl, Raffael im Vormärz.
Zur Aktualität der Kunstgeschichte in den politischen und kunstkritischen Auseinandersetzungen
1830–1848, in : Raffael als Paradigma. Rezeption, Imagination und Kult im 19. Jahrhundert (hg.
von G. Hess/E. Agazzi/E. DĂ©cultot), Berlin/Boston 2012, S.Â
326–333 ; Scholl, Revisionen der
Romantik (zit. Anm.Â
1), S.Â
124–143.
13 Eitelberger, Wiener Kunstausstellung 1844 (zit. Anm.Â
7), S.Â
250.
14 Zu den Belgischen Bildern von Louis Gallait und Edouard de Bièfve, die 1842/43 mit großem
Erfolg in Deutschland gezeigt wurden, vgl. u. a. R. Schoch, Die belgischen Bilder. Ein Beitrag
zum deutschen Geschichtsbild des Vormärz, in : Städel-Jahrbuch, N. F. VII, 1979, S. 171–186 ; R.
Schoch, Die »belgischen Bilder«. Zu einem Prinzipienstreit der Historienmalerei des 19. Jahr-
hunderts, in : Streit um Bilder. Von Byzanz bis Duchamp (hg. von K. Möseneder), Berlin 1997,
S.Â
161–179 ; Scholl, Revisionen der Romantik (zit. Anm.Â
1), S.Â
154–162.
15 Zu Zimmermann vgl. u. a. S. Nachtsheim, Kunstphilosophie und empirische Kunstforschung
1870–1920, Berlin 1984, S. 67–73 ; L. Wiesing, Die Sichtbarkeit des Bildes. Geschichte und Pers-
pektiven der formalen Ă„sthetik, Reinbek 1997, S.Â
16 ; L. Wiesing, Formale Ästhetik nach Herbart
und Zimmermann, in : Herbarts Kultursystem. Perspektiven der Transdisziplinarität im 19. Jahr-
hundert (hg. von A. Hoeschen/L. Schneider), Würzburg 2001, S. 283–296 ; Scholl, Revisio-
nen der Romantik (zit. Anm. 1), S. 414–422, V. Ionescu, Zimmermann’s aesthetics and Riegl’s art
theory. Influences and resistances, in : Ars, XLVI, 2013, S.Â
86–93.
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Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia RĂĽdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien