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Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
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Winckelmann im Sammlungsraum: Armut macht Geschichte 135 Antikenhändlers Thomas Jenkins zu einem honorary fellow der Londoner Organisa- tion gewählt worden36 – eine Ehrung, auf die er über alle Maßen stolz war. Diese Mit- gliedschaft scheint ihm genug bedeutet zu haben, dass er eine Liste aller Mitglieder der Society in seinen Wohnräumen aufhing, um den illustren Zirkel, dem er nun angehörte, gleichsam immer präsent zu haben.37 Auch auf dem Titelblatt der Geschichte wies der Autor sich als Mitglied der „Königl. Englischen Societät der Alterthümer zu London“ aus. Die kurze Beschreibung der Villa Albani war also wohl mehr als nur ein Neben- produkt, sondern dazu intendiert, von wichtigen Leuten gelesen zu werden, und war entsprechend komponiert. Der rhetorisch überzeugende Moment des Textes ergibt sich vor allem daraus, dass es Winckelmann gelingt, aus der Diskussion von konkreten Einzelbeispielen einer Sammlung ein komplett abstraktes System der Stilgeschichte zu entwickeln. Als Beschreibung einer spezifischen Sammlung kann der Text dennoch kaum gelten: Kein Wort beschreibt die Räume, in denen sich die diskutierten Statuen befanden.38 An einem kunsthistorischen „Programm“ in der Aufstellung war Winckelmann, wie oft betont wurde, augenscheinlich wenig interessiert.39 Die moderne Forschung hat mehrfach betont, dass es sich bei Albanis Villa um den klassischen Typ einer villa suburbana handelt, bei dem schon die Funktionszuweisung der einzelnen Räume verhinderte, dass der Eindruck eines Museums entstehen konnte.40 Es war ein effektvolles, aber kaum kunsthistorisch motiviertes Arrangement. Autoren wie Wilhelm Heinse schrieben mit maliziösem Oberton, dass das Ganze „mehr einer Rarität und Fragmenten Sammlung, als dem Lustsitz gleich eines erhabe- nen Philosophen“ entspreche.41 Hier deutet sich bereits der limitierte Nutzen an, den eine gründ lichere Beschrei- bung der tatsäch lichen Sammlung für Winckelmann gehabt hätte; ein Argument für seine Systematik der Geschichte hätte er hieraus nicht gewinnen können, im Gegenteil. Vielmehr ist es gerade der Verzicht auf den räum lichen Kontext, der es Winckelmann erlaubt, seine Stile in einer fast apodiktischen Reihung zu präsentieren – in einer Ord- nung, die sich in keiner Weise im tatsäch lichen Sammlungsarrangement gespiegelt hat. Dennoch scheint es, als biete der Sammlungsraum für Winckelmann zumindest einen unschätzbaren Vorteil: Die Aufgabe der Sammlungsbeschreibung gibt dem Kunsthistoriker gewissermaßen einen Vorwand zur Reduktion der Datenmenge zu 36 Ebenda, 2.  April 1761, 320 (Diskussion des Vorschlags von Jenkins); 9.  April 1761, 323 (Aufnahme). 37 Lewis 1961, 196. Winckelmanns lateinischer Dankesbrief für die Aufnahme: Society of Antiquaries London, Letters & Papers, 1760–1762, 20.  Juni 1761. 38 Diese räum liche Dislokation betont auch Tavernier 1986, 99. 39 Vgl. Allroggen-Bedel 1982, 301–380, hier 328: „Wie die einzelnen Statuen angeordnet und aufgestellt wurden, scheint Winckelmann wenig interessiert zu haben.“ Dies gilt auch für Winckelmanns andere Schriften: Nur ein einzelner Hinweis in der Geschichte vermerkt etwa, dass Albani Werke aus einem bestimmten Stein in einem separierten Gebäude aufgestellt habe; vgl. Tavernier 1986, 59. 40 Liebenwein 1982, 461–505; Allroggen-Bedel 1982, 313. Die Anordnung der Antiken in der Villa ähnelt damit weniger Winckelmanns Geschichte denn einem Werk wie den Monumenti antichi inediti; vgl. Ernst 1992, 99. 41 Zit. nach Winckelmann (Rehm 2002b), 466.
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Schöne Wissenschaften Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Title
Schöne Wissenschaften
Subtitle
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Author
Nora Fischer
Editor
Anna Mader-Kratky
Publisher
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7001-8642-7
Size
20.9 x 29.3 cm
Pages
306
Category
Kunst und Kultur
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