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Israelsohn gab aber auch weiter nicht auf. Zuletzt suchte er mit 13. Oktober
1917 um die Wiederzulassung zum Studium an. Diesmal gibt der erhalten ge-
bliebene Akt einen sehr interessanten Einblick in das Leben dieses Studieren-
den. Er war am 8. August 1886 in Jakobstadt im Kurland als Sohn eines Arztes
geboren worden, hatte das deutsche Gymnasium in Mitau und die deutsche
Universität in Dorpad absolviert und war bereits seit dem Jahr 1906 in Graz an
sässig. Während der drei Kriegsjahre hatte er durch 1 ½ Jahre in der Baukanzlei
der unter militärischer Leitung stehenden Firma G. J. Wolf und Ing. Hans Wolf
als Hochbautechniker gearbeitet und war mit einer „Deutschösterreicherin“
verheiratet. Auch wenn sich Dekan Leopold Theyer lebhaft für die Zulassung
Israelsohns aussprach, stimmte das Professorenkollegium auch diesmal mit
18:4 Stimmen gegen den Antrag, und das Ministerium in Wien schloss sich die-
ser Meinung an.192
Auch Israel Hermann war russischer Staatsbürger, und sein spezieller Fall
weist durchaus tragische Elemente auf. Er ersuchte am 26. Oktober 1914
um die Zulassung zu Prüfungen, nachdem er seit 1905 an der Technischen
Hochschule in Wien und anschließend von 1907 bis 1911 an der Technischen
Hochschule in Graz Maschinenbau studiert hatte. Zwei Prüfungen, jene aus
„Elemente der niederen Geodäsie“ und auch „Elektrotechnik“ fehlten ihm noch
zum Abschluss. Professorenkollegium und Rektorat lehnten eine Zulassung
Hermanns zu den Prüfungen in einer durchaus harten Entscheidung ab, da er
sich den Prüfungen längst unterziehen hätte können, wie ausgeführt wurde.
Hermann habe seine Studien aber höchst unregelmäßig betrieben, und so hieß
es schließlich: Er kann somit jetzt auch bis zur Beendigung des Krieges mit der
Ablegung der bezeichneten Prüfungen warten.
Dieser Entschluss fiel, obwohl Hermann in seinem Bittgesuch ausgeführt
hatte:
Er ist nach der Stadt Lenczyea,193 Gouvernement Kalisch in Kongress-Polen zu-
ständig und ist, wie alle Einwohner von Polen, zur Monarchie durchaus freund-
lich gesinnt, um so mehr wegen der Gastfreundschaft, die er in der Monarchie
als Ausländer gefunden hat.
Er kann keinesfalls Russland als sein Vaterland betrachten, schon deshalb,
weil er dort aller menschlichen Rechte beraubt ist. Nach dem Kriege wird er
voraussichtlich nicht mehr russischer Staatsangehöriger sein.194
Israel Hermann suchte für das Studienjahr 1915/1916 erneut zumindest um
eine Inskriptionserlaubnis an, nicht ohne zu vergessen, darauf hinzuweisen,
dass er eigentlich Pole sei. In seinem Fall sprachen sich immerhin die Profes-
soren Cecerle, Cerny, Ettingshausen, Hocevar, Theyer und Tornquist für eine
Zulassung aus, wobei Cerny und Theyer sich im Prinzip der Ansicht Tornquists
anschlossen, dass in okkupierten Gebieten Beheimatete zuzulassen seien. Die
sechs Professoren blieben aber dennoch gegen 15 andere in der Minderheit. 195
192 ATUG, Rektoratsakte 929 ex 1917, Schreiben vom 28. 11. 1917.
193 Lentschiza, heute Leczyza, Polen.
194 ATUG, Rektoratsakte 1626 ex 1914, undatiertes Schreiben aus dem Dezember 1914.
195 ATUG, Rektoratsakte 839 ex 1915, Schreiben vom 16. 10. 1915.
„ In diesen schweren Tagen“
Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Title
- „ In diesen schweren Tagen“
- Subtitle
- Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Author
- Bernhard Reismann
- Editor
- Technische Universität Graz
- Publisher
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-627-7
- Size
- 20.0 x 25.0 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Forschungseinrichtung, Universität, Bildung, Krieg, Forschung, TU Graz
- Categories
- Geschichte Nach 1918